Album der Woche: Unknown Mortal Orchestra – Sex & Food

„Wir stecken im 20. Jahrhundert fest“

Raus aus dem Kellerstudio in Portland und einmal quer durch die Weltgeschichte. Ruban Nielson hat das Album seiner Band Unknown Mortal Orchestra in Hanoi, Seoul und Reykjavik aufgenommen. „Sex & Food“ klingt aber weder nach K-Pop noch nach isländischem Folk.

Hanoi, Mexico, Reykjavik, Seoul – die Aufnahmeorte des neuen Unknown Mortal Orchestra-Albums Sex & Food wirken ein wenig beliebig. Aber dahinter steckt die persönliche Logik von Bandkopf Ruban Nielson. Island zum Beispiel, mit seinen Vulkanen und der rauen Landschaft, ist für ihn wie eine auf den Kopf gestellte Variante seiner Heimat Neuseeland. Und Seoul?

Ich habe viel über David Bowie und Iggy Pop nachgedacht, weil sie in Berlin aufgenommen haben, in der Nähe der Mauer. Und ich habe mir überlegt, was das moderne Äquivalent zur Berliner Mauer ist und mir ist die Entmilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea eingefallen. Deswegen bin ich nach Seoul gegangen. Es gibt so viel Hysterie um Kim Jong-un. Aber die Südkoreaner lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen, sie leben einfach ihr Leben. Und wenn die das können, muss man sich in den USA auch keine Sorgen machen. Dieses beruhigende Gefühl habe ich mit nach Hause genommen.

Grenzen austesten

Südkoreanische Einflüsse sind in den neuen Songs aber nicht zu hören. Sex & Food ist ein wilder Stilmix aus süßlichem Psychedelic-Rock, Discobeats und Lo-Fi-Funk. Gespielt werden mal funkelnde Synthies und Streicher, mal eine dreckig-verzerrte E-Gitarre, die nach dem Woodstock-Auftritt von Jimi Hendrix klingt. Für Ruban Nielson ist das Album auch eine Zusammenfassung seiner letzten drei Platten.

Ich wollte eine Art Zusammenfassung der letzten drei Alben machen. Aber ich sehe es nicht als Rückschau an, sondern eher als ein Austesten der Grenzen und sich fragen was UMO ist und was diese Band darf und sein kann.

Als politische Band sind Unknown Mortal Orchestra nicht gerade bekannt, Nielson schreibt meist über persönliche Themen. So gibt es auf dem Album mit Hunnybee eine Liebeserklärung an seine siebenjährige Tochter. Aber manchmal überschneiden sich Privatleben und Politik eben auch. In dem Song Ministry of Alienation zum Beispiel. Dort beklagt er sich darüber, dass wir immer noch mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, wie die Menschen vor 50 oder 60 Jahren.

Wir stecken immer noch in den Ideologien des 20. Jahrhunderts fest. Ich bin in einem liberalen westlichen Umfeld aufgewachsen. Für mich war klar: Der Kommunismus ist gescheitert, Kapitalismus ist unter bestimmten Bedingungen okay und der Faschismus ist überwunden. Und jetzt sieht es so aus, als wäre der Faschismus wieder eine Bedrohung und der Kapitalismus ist vor allem ungerecht. Wir stellen uns immer noch die selben Fragen wie schon unsere Großeltern, das finde ich seltsam.

Hörenswerte Weiterentwicklung

Auch wenn nicht alle Songs auf Sex & Food notwendigerweise im Ohr hängenbleiben, so ist das Album doch eine interessante Weiterentwicklung und lohnenswerte Ergänzung der eigenen Plattensammlung.

Redaktion