Keine Angst vor Hits

Blumen von Freunden

Die Musikerin MARYAM.fyi braucht keine Tulpen, der französische Popstar Christine and The Queens hat eine Pop-Oper gemacht, JW Francis hat Sehnsucht nach anderen Menschen. Außerdem: So klingt derzeit die iranische Revolution. Das und mehr in unserem Musik-Update Keine Angst vor Hits.

Neue Alben

Christine and the Queens – Redcar les adorables étoiles (Prologue)

Christine and the Queens ist bekannt geworden mit großgestigem, theatralischen Synthie- und Elektropop. Dahinter steckt Héloïse Letissier alias Chris alias Redcar – so nennt er sich jetzt und nutzt auch männliche Pronomen. Redcar oder Red hatte in den letzten Jahren mit einigen Problemen zu kämpfen: seine Mutter ist sehr plötzlich gestorben, er war unglücklich verliebt und er versucht seinen Platz zu finden in der immer noch sehr von einem binären Geschlechterverständnis geprägten Welt. Eine Art mit all diesen inneren und äußeren Konflikten umzugehen sind seine Songs . Davon gibt’s jetzt 13 neue auf dem Album “Redcar les adorables étoiles”. Mal ist das ausschweifender Elektro-Pop, dann gibt es wieder ganz zurückgenommene Stücke. Bei einigen schimmert auch ein bisschen Chanson durch. Die zumeist französischen Lyrics wirken verletzlich. Überhaupt geht es sehr emotional zu: Angelegt ist das Album wie eine Rock-Oper und der Titelzusatz “Prolog” deutet an, dass ein weiterer Teil bald folgen wird.

Derya Yıldırım & Grup Şimşek – Dost 2

Die Hamburger Musikerin Derya Yıldırım mischt seit ihrer Debüt-EP “Nem kaldi” von 2017 psychedelische Klänge, mit anatolischem Folk, Pop und Jazz. Sie spielt u.a. die türkische Laute Bağlama und die kommt natürlich auch auf dem dritten Album ihrer Band Derya Yıldırım & Grup Şimşek zum Einsatz. “Dost 2” heißt es, Dost bedeutet Freund und darauf finden sich eigene Kompositionen wie das sehnsuchtsvolle “Gümüş”, sowie Vertonungen und Neuinterpretationen von traditionellen Stücken. Den Text für das Stück “Darıldım Darıldım” hat der türkische Volksdichter Mahsuni Serif geschrieben, der v.a. in den 70ern und 80ern aktiv war. Den Text hat er wohl im Gefängnis geschrieben, es geht entsprechend um Ungerechtigkeit, aber Derya Yıldırım & Grup Şimşek machen daraus einen tanzbaren, fröhlichen Track.

Hyd – Clearing

Hyd ist das Projekt von Hayden Dunham: Performance Künstler*in, Designer*in, Songwriter*in und DJ aus Austin, Texas. Dunham hat unter dem Namen QT als Hyperpopkunstfigur schon 2014 Musik gemacht, seit 2020 macht Hyd Elektro/Dance-Pop. Die Debüt-Single “No shadow” ist 2021 erschienen, das erste Album heißt “Clearing”. Die Songs dafür hat Hyd auf der Vulkaninsel Lanzarote geschrieben, entsprechend geht es um Feuer und Wiedergeburt. Hyd ist auch schon auf Vulkanen, in Höhlen und auf Ölfeldern aufgetreten. Einige der Tracks hat die 2021 verstorbene britische Künstlerin Sophie co-produziert. Neben groß auftrumpfenden Popnummern wie “Fallen Angel”, gibt es auch ganz intime Stücke wie “Glass”, in denen Hyd fast flüstert. Der Sound ist – gar nicht vulkanisch – eher geradliniger 80er-Pop, kühl und glatt.

Neu auf der Playlist

JW Francis – Dream House

Der New Yorker DIY-Indie-Popper JW Francis hat diese Woche seine neue Single „Dream House“ veröffentlicht. Der Song handelt von dem Gefühl seine liebsten Menschen zu vermissen. In Francis Fall ist das vor allem seine Mutter, die er während des Lockdowns für vier Monate nicht sehen konnte. Verpackt hat JW Francis das Thema in eine warme und etwas leiernde Instrumentierung, die aber durchaus positive Vibes vermittelt. „Dream House“ ist außerdem der Titeltrack des kommenden Albums, das am 27.01. auf Sunday Best Recordings erscheinen wird.

Roller Derby – Say How Come

Bei den Hamburger Dream-Poppern von Roller Derby läuft’s! Seit 2020 veröffentlicht die Band Singles, die nicht nur Fans und Presse glücklich machen. Auch Veranstalter*innen großer Festivals wurden auf die Band aufmerksam und so kam es, dass Roller Derby dieses Jahr auf dem Great Escape in Brighton, dem SXSW in Austin und dem Reeperbahn Festival in Hamburg spielen konnten. Nicht schlecht! Diese Woche hat die Band den Song „Say How Come“ veröffentlicht, der nahtlos an die Vorgänger anschließt. Die Band ist ab dem 17. November außerdem auf Deutschland-Tour, für die wir Tickets verlosen (ausschließlich der Show in Berlin). Schreibt uns bis zum 15.11. eine Mail mit dem Wunschort, eurem Namen und dem Betreff Roller Derby an: verlosung@detektor.fm

MARYAM.fyi – Blumen

Seit der Ermordung der Kurdin Jîna Mahsa Amini in Teheran finden im Iran mutige, revolutionäre Proteste statt, die auf der ganzen Welt Unterstützung erfahren. Musik spielt dabei für die Verbreitung der Protestforderungen eine entscheidende Rolle. Und auch in Deutschland gibt es Musiker*innen, die das Thema aufgreifen und sich auf Protesten mit den Menschen im Iran solidarisieren. Eine davon ist die in Berlin lebende deutsch-iranische Musikerin MARYAM.fyi. Auch sie ist derzeit auf Demos unterwegs und hat den Song „Baraye“ von Shervin Hajipour, der wie kein anderer für die Protestbewegung steht, schon live performt. Mit „Blumen“ veröffentlicht MARYAM.fyi heute einen Song, der vielleicht nur im übertragenen Sinne etwas mit den Protesten im Iran zu tun hat. In dem Song fordert sie Männer auf, sich endlich mit ihren Problemen zu befassen und im Zweifel einfach mal zur Therapie zu gehen.

Popschnipsel

In der aktuellen Bonusfolge von Keine Angst vor Hits spricht Musikredakteurin Jessi Hughes mit MARYAM.fyi über die Bedeutung von Musik für die aktuellen Proteste.

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Redaktion