Popfilter | X-Ray Spex – Germfree Adolescence

Die erste Schwarze Punkerin

In den 70er-Jahren versuchen Punkmusiker gesellschaftliche Konventionen auf den Kopf zu stellen. Dabei sind es die Frauen im Punk, die wirklich allen Grund zur Wut haben. Insbesondere mehrfachbenachteiligte Musikerinnen, wie Poly Styrene. Mit ihrer Band X-Ray Spex mischte sie die weiße und männlich dominierte Punkszene auf und bereicherte sie mit visionären Songs.

Punk aus intersektionaler Perspektive

Marianne Joan Elliott-Said kommt 1957 als Tochter einer Britin und eines somalischen Vaters zur Welt und wächst im Süden von London, in Brixton auf. Schon als Teenie macht sie erste musikalische Gehversuche und schreibt den Raggae-Song „Silly Billy“ über eine Teenagerschwangerschaft. An ihrem 19. Geburtstag besucht sie ein Konzert der Sex Pistols, das bei ihr nicht nur den Wunsch auslöst selbst eine Punkband zu gründen, sondern auch die erste Idee für einen Song liefert, wie sie im Interview mit der Musiksendung „Countdown“ verrät:

Zwei Punkerinnen sind beim Konzert aneinander gekettet. Eine Style-Entscheidung, die Poly ziemlich gelungen findet: Die Ketten erinnern an die gesellschaftliche Unterdrückung, die sie auch selbst nicht nur als Frau, sondern als Schwarze Britin erfährt. Wenig später wird aus ihren Eindrücken der Song „Oh Bondage, Up Yours”, dessen Message lautet: Ihr könnt euch eure gesellschaftlichen Fesseln sonstwohin stecken.

Da ist eine junge Frau of Colour, die eine weiße, männliche Szene aufgemischt hat. Das sieht man vor allem, wenn man sich Videos ihrer Live-Performances anschaut und sieht wie sie über die Bühne fegt und sich diesen Raum nimmt.

Jana Sotzko, Musikjournalistin, Musikerin und eine der Autorinnen für "These Girls" und "These Girls, too"

Eine Band aus Plastik

Ihre Bandmitglieder findet Poly Styrene über eine Ausschreibung der britischen Musikzeitschrift „Melody Maker“. In den Songs ihrer Band stellt Styrene Fragen über die eigene Identität und wirft alle Rollenzuschreibungen über den Haufen. Mit ihrer festen Zahnspange, versucht sie alles um bloß nicht der Vorstellung eines klassischen, perfekten weiblichen Popstars zu entsprechen.

Auch ihr Künstlerinnenname spielt darauf an: Er soll möglichst künstlich klingen, wie ein Wegwerfartikel. Treffenderweise benennt sie sich nach Styropor, was auch zum Inhalt vieler ihrer Songs passt. In denen wendet sich Styrene häufig auch gegen die Konsumgesellschaft. Schon 1979 lösen sich X-Ray Spex auf. Zwar veröffentlicht Poly Styrene bis 2011 noch drei Soloalben, die sich musikalisch stark von ihrer Punkphase unterscheiden. An ihren Erfolg der 70er kann sie aber auch aufgrund von psychischen Problemen nicht mehr anknüpfen.

Im Popfilter erklärt „These Girls“ Autorin Jana Sotzko, warum die Musik von X-Ray Spex unvergessen bleibt und wichtige Grundsteine für die Riot Grrl- und Afro-Punk Bewegung legt. Hier könnt ihr den Popfilter hören und abonnieren.

Alle Folgen der Themenwoche „These Girls“

Folge 1: Bessie Smith – Kitchen Man

Folge 2: Phyllis Dillon – Perfidia