Reingehört: Marteria – Zum Glück in die Zukunft II

Rap mit deutschen Texten hat Hochkonjunktur. Ob Casper, Cro oder Marteria – ihre Alben landen durchweg auf Platz eins in den Charts. Letzterer gibt sich auf seinem neuen Album gewohnt angriffslustig, aber auch nachdenklich. Es geht um Lebensentwürfe, Reisen und das Erwachsenwerden in einem Geschäft, in dem man eigentlich nicht erwachsen werden darf.

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Autorin: Juliane Streich

Eine Kooperation mit Kreuzer Online, dem Monatsmagazin für Kultur und Pop, Lifestyle und Stadtgeschehen.



Peng Peng Peng! Kids, der erste Song des zweiten Marteria-Albums, knallt gleich richtig rein. Ein Abgesang auf die Menschen, die – wie soll man es anders sagen? – einfach älter werden. Keiner tätowiert sich mehr Wu-Tang auf den Arsch. Wenn es doch nur das wäre! Doch alle haben einen Job, putzen ihre Fenster, essen Salat. Vorbei die Zeiten, in denen man die Stempel fälschte, heute stehen alle auf der Gästeliste und gehen nicht hin.

Kids ist schon sehr witzig und alles was witzig ist und Humor hat, hat immer auch Wahrheit. Ob man das jetzt an anderen Leuten oder sich selber sieht, mir macht das nach wie vor Spaß und ich habe oft Momente, in denen ich komplett freidrehen will und keiner geht ans Telefon, weil die wissen: Wenn der um diese Uhrzeit anruft heißt das, dass man bis 8 Uhr morgens draußen bis.

Aber was nun? Ist kiffen, feiern, saufen so viel besser? »Ich habe den Knopf schon längst gedrückt, auf dem Selbstzerstörung steht«, geht es weiter. Ein Trinklied, das die Abgründe aufzeigt: Selbstmitleid, Sucht, Aussichtslosigkeit und Aggression. So treffend, dass es nicht mal groß stört, dass am Ende CDU-Liebling Campino auf »Die Nacht ist mit mir« mitgrölt.

Ich habe viel Zeit mit Campino verbracht. Wir haben an seiner Platte geschrieben, waren zusammen in Argentinien, beim Fußball in Liverpool. Wir sind einfach Freunde geworden und es war ganz klar, dass wir zusammen einen Song machen. Er ist natürlich sehr untypisch für eine Rap-Platte. Aber es ist halt einfach Campino von den Toten Hosen – eine Institution in Deutschland neben den Ärzten, Grönemeyer und Lindenberg. So eine Kombo ist sehr selten.

Marteria gehört seit seinem Debüt vor drei Jahren zu den entscheidenden Figuren des neuen deutschsprachigen Hiphops. Mit den Toten Hosen war er in Argentinien, ist auch sonst um die halbe Welt gereist, textet nun über Fremdsein und Neugier.

Man merkt auf Reisen, was die wichtigen, elementaren Dinge sind. Und man merkt, dass manche Probleme z.B. in Afrika denen in Deutschland ziemlich ähnlich sind. Man kann dann ein Liebeslied schreiben, das nichts mit der großen Welt zu tun hat, aber trotzdem vergleicht man es mit der großen Welt und sieht, dass die Probleme oft gleich sind, bloß dass es in unfassbar verschiedene Richtungen geht. Das ist das große Thema der Platte. Die Songs sind nicht kleingeistig sondern durch einen Vibe einer Welt entstanden.

Düster mutet das zuweilen an, Stromschläge, Schock und Steinwürfe. Hiphop mit Soundarrangements. Weitere Gäste auf der Platte sind neben Campino nur Yasha und Miss Platnum, mit denen der Rostocker bereits den eher nervtötenden, weil zu kitschigen Super-Hit Lila Wolken aufnahm. Davon ist auf Zum Glück in die Zukunft II kaum noch etwas zu spüren.

Es wäre einfach gewesen, diese Platte auf so was wie Lila Wolken aufzubauen. Mit einer Sure-Shot-Produktion kann man viele Platten verkaufen. Das ist aber genau nicht eingetroffen. Ich wollte nicht sagen: Ich hab dies und das geschafft. Es gibt diese Art von Lines nicht ein einziges Mal auf der Platte. Alle Sachen, die mir wichtig waren, sind auf dem zweiten Teil von Zum Glück in die Zukunft drauf. Und es wird wohl sehr schwierig werden, noch eine dritte Platte zu machen.

Die Liebe ist ausgezogen oder hält eh nur einen Tag. Und doch stimmt der Schluss versöhnlich: eine Welt der Wunder, in der man sich trotz Sprachbarrieren versteht.

Redaktion