Saitenwechsel: Bohuslav Martinů – Die Fresken des Piero della Francesca

Der Musik gewordene Farbrausch

Philosophie, Literatur, Malerei – viele Komponisten haben ihre Inspiration in den verschiedensten Künsten gefunden. Aber wie kann aus einem gemalten Bild Musik entstehen? Wir schauen bzw. hören uns die Fresken des Piero della Francesca an. Ein Orchesterwerk des Komponisten Bohuslav Martinů.

+++Saitenwechsel wird präsentiert vom Gewandhaus zu Leipzig.+++


in Kooperation mit dem Gewandhaus

Bohuslav Martinů kommt 1890 in einer tschechischen Kleinstadt zur Welt, als Sohn eines Türmers. Mit dem Glockenläuten im Kirchturm wird er groß. Er wächst in einfachen musikalischen Verhältnissen auf, bekommt Geigenunterricht vom Dorfschneider. Mit einem Stipendium seiner Heimatstadt geht er schließlich ans Prager Konservatorium und studiert später Komposition in Paris.

In den folgenden Jahren lebt Bohuslav Martinů rastlos. Er ist viel in Europa und Amerika unterwegs. Teils gezwungenermaßen, weil er auf der Flucht vor den Nazis ist. Nach dem zweiten Weltkrieg geht er nach Südfrankreich, lebt eine Zeit lang in Nizza. Von hier aus macht er immer wieder Ausflüge nach Italien. Einer dieser Ausflüge wird zu einem prägenden Erlebnis. Er besucht eine Kirche in Arezzo, die bekannt ist für ihre Fresken. Es sind die Bilder des Renaissance-Malers Piero della Francesca. Bohuslav Martinů ist schwer beeindruckt.

Er ist vollkommen überwältigt von der Farbenpracht dieser strahlenden Fresken. Wenn man diese Räume mit den Malereien aus dem 15. Jh. betritt, kann man sich wirklich einem Farben- und Formenrausch hingeben. Was da visuell in ihn eindringt, strömt in Tönen wieder heraus.Ann-Katrin Zimmermann 

Experimente mit Zeit und Raum

Inspiriert von dieser Farbenpracht schreibt Martinů eines seiner bekanntesten Orchesterwerke. Das Lebendige der Fresken spielt sich bei Martinů vor allem in den Harmonien ab. Einen besodneren Part übernimmt dabei die Piccolo-Flöte, im Gewandhausorchester der Part von Tünde Molnar-Grepling.

Für mich klingt es harmonisch kompliziert und klangvoll. Ich mag diese Epoche, die 1950er Jahre. Da passiert viel Harmonisches. Martinů benutzt verschiedene Harmonien übereinander. Normalerweise passen die gar nicht zusammen. Bei Martinu passt es aber unglaublich gut.Tünde Molnar-Grepling 

Das Kombinieren zweier Elemente, die auf den ersten Blick gar nicht zueinander passen – das gibt es auch in den Fresken von Piero della Francesca. In manchen Bildern vereint er Dinge, die zeitlich oder räumlich nicht zusammengehören. Z.B. indem er historische Ereignisse, die 300 Jahre auseinanderliegen, in einem Bild stattfinden lässt.

Aus Bild wird Musik wird Bild

Martinůs musikalische Fresken sind aber nicht die Illustration einer Illustration. Er ahmt die Fresken nicht einfach nur nach. Er verarbeitet seine visuellen Eindrücke in der Welt der Musik. Man kann sich die Bilder beim Hören natürlich vor Augen halten. Vielleicht aber sorgt die Musik auch dafür, dass im Kopf ganz neue Bilder entstehen.

Redaktion