Ach, Mensch! | Isabell Stamm

Wie realistisch ist „Succession“, Isabell Stamm?

In der Serie „Succession“ gibt’s viel Drama um die Nachfolge-Frage im Familienimperium. Wie realistisch ist das, Isabell Stamm?

Verantwortung fürs Familienerbe

Ein erfolgreicher Medien- und Unterhaltungskonzern in den USA, an der Spitze: ein Patriarch, der das Unternehmen aufgebaut hat. Er hat sechs Kinder, die alle in seine Fußstapfen treten und den Konzern leiten wollen, wenn ihr Vater sich aus den Geschäften zurückzieht. Und er? Er spielt seine Nachkommen gegeneinander aus. Jede Menge Drama also — aber zum Glück alles fiktiv. Die Rede ist nämlich von der Serie „Succession“. „Es ist sehr überzeichnet, aber hat durchaus einen wahren Kern“, sagt Isabell Stamm. Sie forscht am Max-Plack-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln zu Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen.

Konflikte gibt es auch in deutschen Familienunternehmen, das sei gar nicht verwunderlich, wenn Familienmitglieder so eng zusammenarbeiten, so Isabell Stamm. Aber dass sich die Kinder um den Chefposten streiten, sei eher die Ausnahme. Längst haben Familienunternehmen andere Wege gefunden, den Nachwuchs in der Firma einzusetzen. Und immer häufiger wird das Unternehmen auch nicht an die nächste Generation weitergegeben, sondern an private Kapitalgeber verkauft. Isabell Stamm hat in einer Studie 38 Plattformen ausgemacht, auf denen Familienunternehmen zum Kauf angeboten werden.

Wir sehen an den Nachfolge-Börsen, dass sich nach und nach eine Struktur aufbaut, die nicht mehr darauf ausgelegt ist, die Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie weiterzugeben, sondern an einen möglichst kompetenten Nachfolger. Das ist ein kultureller Wandel.

Isabell Stamm, Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung

Foto: MPIfG/AD

Als Isabell Stamm mit ihrer Forschung zu Familienunternehmen angefangen hat, war der Verkauf des Unternehmens noch ein Tabu. Doch die Zeiten haben sich geändert und das merken auch die Nachfolge-Börsen. Der Verkauf ist eine wertvolle unternehmerische Leistung — das ist das Narrativ, das diese Plattformen bedienen. Natürlich mit dem Eigeninteresse, dass aus der Vermittlung einer kompetenten Nachfolge an die Spitze eines Familienunternehmens ein profitables Geschäftsmodell wird. Der Bedarf jedenfalls steigt — und die Verkäufe von Familienunternehmen oder Unternehmensanteilen nehmen zu. Womöglich hätte das auch dem fiktiven Medienmogul Logan Roy aus „Succession“ ganz schön viel Drama erspart.

Nachfolge-Suche in Familienunternehmen

Isabell Stamm leitet am Max-Plack-Institut für Gesellschaftsforschung die Forschungsgruppe „Unternehmen, Eigentum und Familienvermögen“. Warum sind Familienunternehmen immer noch so dominant in der deutschen Unternehmenspopulation? Wie gelingt es, das Unternehmen von einer Generation an die nächste weiterzugeben? Und in welchem Verhältnis stehen Familienunternehmen zu anderen Unternehmensformen in Deutschland? Das sind einige zentrale Fragen, mit denen sich die Forschungsgruppe beschäftigt.

In dieser Folge „Ach, Mensch!“ spricht Isabell Stamm mit detektor.fm-Moderatorin Charlotte Thielmann darüber, wer heute noch Verantwortung für ein Familienunternehmen übernehmen will, warum sich die Bäckerei um die Ecke vom globalen Automobilkonzern gar nicht so sehr unterscheidet und woher die deutsche Liebe zum Mittelstand kommt.

Redaktion