Italien | Fünf-Sterne-Bewegung gewinnt in Rom und Turin

Eine Protestpartei etabliert sich

Sie verstehen sich nicht als Partei, sondern als Bürger-Bewegung. Doch spätestens seit den Wahlerfolgen in den Großstädten Turin und Rom ist die Fünf-Sterne-Bewegung die dritte große Kraft in Italien.

Die Fünf-Sterne-Bewegung

Gegründet worden ist die Fünf-Sterne-Bewegung 2009 um den Kabarettisten Beppe Grillo. Sein Ziel ist es, den etablierten Parteien eine Bürger-Bewegung entgegenzusetzen. Zwar tritt er selbst nicht bei einzelnen Wahlen an, er gilt jedoch als Sprachrohr der Bewegung. Spätestens seit dem gestrigen Wahlerfolg ist nun klar: Die Bewegung ist die dritte große Kraft im Land.

Die Fünf Sterne, das sind – frei übersetzt – Umwelt, Wasser, Entwicklung, Konnektivität und Verkehr. Die Bewegung will sich abkehren von den großen Themen der anderen Parteien, wie den Olympischen Spielen 2025 oder dem Referendum zur Verfassungsänderung, und sich wieder bürgernahen Themen widmen.

Dabei vertritt die Fünf-Sterne-Bewegung sowohl linke Themen, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen, scheut aber auch nicht vor rechten Ideen zurück. So finden sich auch eine strenge Migrationspolitik und ein anti-europäischer Kurs im Parteipogramm wieder. Für die Abgeordneten und Vertreter ist dieses Programm im Übrigen verpflichtend. Wer ihm zuwiderhandelt, wird mit dem Parteiausschluss und Geldbußen bestraft.

Die Stichwahl in Rom

Bei der Stichwahl in Rom am 19. Juni konnte sich die 37-jährige Rechtsanwältin Virginia Raggi wie erwartet gegen ihren Kontrahenten Roberto Giachetti von den Demokraten durchsetzen. Sie ist damit die erste weibliche Bürgermeisterin der italienischen Hauptstadt. Ihr Ziel ist es, die katastrophalen Zustände innerhalb der Stadt zu beseitigen.

Virginia Raggi wird wegen ihrer Unerfahrenheit kritisiert. Sie macht sich daraus nichts. Aber es ist sogar ein Vorteil für sie. Sie drückt eine Alternative aus. Und das ist es, was die Leute interessiert. – Tonia Mastrobuoni, Journalistin für La Repubblica

Doch das könnte sich als äußerst schwierig erweisen. Rom ist hoch verschuldet. Korruption und Vetternwirtschaft haben die Stadt an den Rande des Ruins getrieben. Raggis Amtszeit wird nun die erste Bewährungsprobe für die Fünf-Sterne-Bewegung. Mit Spannung wird beobachtet werden, ob sie ihre ehrgeizigen Wahlkampfziele umsetzen kann oder ob sie, wie so viele vor ihr, an der unregierbaren Stadt scheitern wird.

Überraschung in Turin

In Turin konnte Chiara Appendino von der Bewegung nach einer gewaltigen Aufholjagd den Renzi-treuen Sozialdemokraten Piero Fassino aus dem Amt vertreiben. Erstaunlich, denn seine Politik galt als erfolgreich. In Sachen Politik ist die neue Turiner Bürgermeisterin allerdings kein so unbeschriebenes Blatt wie ihre Kollegin Raggi.

Wie die jüngsten Wahlergebnisse zu verstehen sind, ob Virginia Raggi eine echte Chance hat und warum Ministerpräsident Matteo Renzi vielleicht bald zurücktreten muss, das erklärt Tonia Mastrobuoni im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Christian Eichler.

Die Bewegung Fünf-Sterne ist eine populistische Partei, die das antipolitische, antiparteiliche, antisystemische heraushängen lässt. Jetzt kommt die Bewährungsprobe. Sie regieren jetzt in zwei sehr wichtigen Städten und müssen zeigen, wie pragmatisch sie sein können.Tonia Mastrobuoni 

Redaktion: Jannik Gräfen

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