Landesverrat: § 94 StGB in der Debatte

Pressefreiheit vs. Landesverrat: Brauchen Journalisten mehr Schutz?

Im Zuge der Ermittlungen wegen Landesverrats gegen netzpolitik.org steht vor allem ein Gesetzestext im Fokus: § 94 des Strafgesetzbuches. Er definiert, was Landesverrat eigentlich ist – und ist, zumindest nach Ansicht von SPD-, FDP- und Linkenpolitikern, so formuliert, dass er die Pressefreiheit gefährden kann. Wie jetzt geschehen bei den Ermittlungen gegen Markus Beckedahl und Andre Meister.

Schutz der Pressefreiheit …

Abseits von allerhand Rücktrittsforderungen könnte der netzpolitik.org-Skandal durchaus weitere politische Folgen haben. Konkret geht es dabei um Paragraph 94 des Strafgesetzbuches. Dieser verbietet sinngemäß die Verbreitung von Staatsgeheimnissen an Unbefugte, wenn sie die Bundesrepublik benachteiligen oder schädigen könnte. Die zentrale Formulierung, die die Ermittlungen gegen netzpolitik.org ermöglichte, empfinden Politiker von SPD, Linke und FDP als problematisch. Sie wittern eine unverhältnismäßige Einschränkung der Pressefreiheit.

Der Landesverrat von Journalisten ist doch wohl ein schlechter Scherz.“Abgrund von Landesverrat“ zuletzt bei SPIEGEL-Affäre des F.J. Strauß.

— Ralf Stegner (@Ralf_Stegner) 30. Juli 2015

Befürchtet wird dabei, dass der Paragraph zur Einschüchterung von Journalisten genutzt werden könne. Fraglich sei dabei jedoch, inwiefern diese zur Verantwortung gezogen werden sollten: Immerhin sind nicht sie es, die empfindliche Daten stehlen – vielmehr gehen sie in aller Regel ihrer Funktion der Kontrolle und öffentlichen Meinungsbildung nach.

Man könnte argumentieren, dass gerade in Zeiten des NSA-Skandals investigativer Journalismus umso bedeutender geworden ist – den Journalisten Mut zur freien Berichterstattung zu nehmen, scheint dabei kaum hilfreich zu sein.

…oder purer Aktionismus?

Die Union will von Gesetzesänderungen jedoch nichts wissen. Das Gesetz finde selten Anwendung, und noch seltener würde gegen die Pressefreiheit entschieden. Bezeichnenderweise liegt der letzte Landesverrats-Vorwurft mit der „Spiegel-Affäre“ mehr als 50 Jahre zurück. Jetzt das entsprechende Gesetz ändern zu wollen sei also purer Aktionismus.

Sollte der Paragraph tatsächlich abgeändert werden, könnten Regelungen zur Verbreitung von Dienstgeheimnissen als Vorbild dienen. Hier machen sich Journalisten nicht strafbar, solange sie lediglich Informationen entgegennehmen und diese daraufhin verbreiten.

Wie die Vorschläge einer Gesetzesänderung zu beurteilen sind oder ob die Debatte bloßes Sommerloch-Getöse ist, darüber hat detektor.fm-Moderator Georg Schenk mit dem Medien- und Presserechtler Markus Kompa geredet.

Ich glaube, dass das jetzt doch eher das Sommerloch-Theater ist.Markus KompaFoto: Dorothee Rietz 

Redaktion: Richard Hees

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