Opposition der Türkei

Marsch für Gerechtigkeit

Marschieren für die Gerechtigkeit – wenn es nur so einfach wäre. In der Türkei setzen Hunderttausende ein Zeichen für eine demokratische Türkei. Von Ankara bis Istanbul liefen die Kritiker des Erdoğan-Regimes 400 Kilometer für mehr Gerechtigkeit in ihrem Land.

Das Fass läuft über

Am 15. Juni ließ Erdoğan den Journalisten und Abgeordneten Enis Berberoğlu inhaftieren. Der CHP-Abgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Partei soll brisante Aufnahmen an die Zeitung Cumhuriyet weitergegeben haben. Solche Festnahmen von Abgeordneten hat es schon vorher gegeben.

Wanderung durch die Türkei

Als Reaktion auf die Inhaftierung begann Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu den Marsch der Gerechtigkeit, der nun die Aufmerksamkeit Europas auf das Land zieht. Nur von Polizeischutz begleitet hat Kılıçdaroğlu vor gut drei Wochen den Prostestzug in Ankara begonnen. Am Ende waren es Zehntausende, die sich der Demonstration gegen Erdoğans System anschlossen.

Der Marsch hat einen interessanten Hinweis darauf gegeben, was bei den Parlamentswahlen 2019 möglich ist. Denn diese kann die Opposition nur für sich entscheiden, wenn sie ein breites Bündnis bildet. – Kristian Brakel, Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul

Auch die Abschlusskundgebung in Istanbul hat die Massen angezogen: Die Veranstalter sprechen von „über einer Million“ Teilnehmern, während die Behörden bei „mehrere Hunderttausend“ bleiben. Zuletzt nahmen bei den Gezi-Protesten 2013 so viele Menschen an einer Demonstration der Opposition teil. Unzählige Schilder fordern „adalet“ – Gerechtigkeit!

Wir sind für die fehlende Gerechtigkeit gelaufen. Wir sind für die Rechte der Unterdrückten gelaufen, für die inhaftierten Parlamentsabgeordneten und für die festgenommenen Journalisten. – Kemal Kılıçdaroğlu, Vorsitzender der CHP

Fragwürdige Hoffnung

Die Verhaftung von neun Menschenrechtsaktivisten bei einer Fachtagung in Istanbul überschatten den Triumph. Darunter auch die Direktorin von Amnesty International in der türkischen Sektion Idil Eser. Angeblich wirft man den Inhaftierten Verbindungen zu einer terroristischen Organisation vor.

Das ist ein absurder Vorwurf, aber das bedeutet in der aktuellen Situation der Türkei leider nicht, dass sie bald frei kommen werden. – Kristian Brakel

Laut der Human Rights Association verletzt diese Festnahme sogar die Menschenrechte der Betroffenen. Denn es ist ein Menschenrecht, anderen Menschen zu helfen, und nichts anderes hatten die Teilnehmer des Protestes vor.

Ob der Marsch und seine Forderungen auch Konsequenzen haben könnten, hat Kristian Brakel von der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul detektor.fm-Moderatorin Marie Landes erklärt.

Ich glaube, dass dieser Marsch ein positives Zeichen für die Bevölkerung war. Besonders für die Menschen, die mit der Regierung nicht zufrieden sind.Kristian Brakel, Leiter des Stiftungsbüros der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul 

Redaktion: Dorothea Günther

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