Referendum in Italien: Europas bange Blicke nach Rom

Renzo finito?

In Italien stimmt das Volk am Sonntag über eine Verfassungsänderung ab. Die angestrebten Reformen sind dabei völlig in den Hintergrund gerückt. Denn Ministerpräsident Renzi hat seinen Verbleib im Amt an das Ergebnis geknüpft. Bei einem „Nein“ tritt er zurück. Die Folgen sind so unüberschaubar wie unangenehm.

An diesem Sonntag geht es für Italien um eine Menge. Denn das dortige Referendum sprengt den Rahmen einer Abstimmung über eine Verfassungsänderung deutlich. Ursprünglich sollte die Bevölkerung darüber abstimmen, ob die Verfassung reformiert und modernisiert wird. Die Reform soll das Parlaments- und Regierungssystem in Italien erheblich effizienter und schlanker machen. Bisher brauchen Gesetze mehrere Jahre, bis sie tatsächlich in Kraft treten, da Entwürfe stets Senat und Parlament durchlaufen müssen. Dieses Verfahren erschwert Reformen.

Da Reformen in Italien aber bitter nötig sind, sieht der Entwurf vor, dass der Senat verkleinert und die Macht des Parlaments gestärkt wird. Der Senat wäre lediglich eine nationale Zusammenkunft regionaler Vertreter, ähnlich dem Bundesrat. Gesetze von nationalem Status müssten nicht mehr den Senat passieren, sondern können allein vom Parlament abgesegnet werden.

Referendum Renzi

Diese Idee ist nicht neu: Das Konzept steht in ähnlicher Form seit über dreißig Jahren, doch wurde es nie durchgesetzt. Renzi hat sich der Reform nun angenommen und sieht sie als enorm wichtig an. So wichtig, dass er sein eigenes politisches Schicksal damit verbindet. Renzi hat angekündigt, als Ministerpräsident zurückzutreten, sollte die Bevölkerung die Verfassungsreform ablehnen. Das verändert den Gegenstand des Referendums grundlegend: Das Volk bestimmt nicht mehr nur über die Verfassung, sondern auch über die italienische Regierung. Die Abstimmung bekommt so eine komplett andere Dimension.

Was passiert bei einer Niederlage?

Was passiert, wenn Renzi abtritt, ist völlig unklar. Ein Rücktritt lässt zwei politische Konsequenzen zu: Neuwahlen oder die Übernahme der Geschäfte durch eine Technokratenregierung. In jedem Fall beunruhigt das Referendum Bevölkerung und Politik. Nicht nur in Italien, sondern auch in Europa, denn ein Rücktritt Renzis würde das Land politisch destabilisieren. Sowohl die Vorgehensweise im Falle von Neuwahlen als auch die Rolle des Senats sind dann zunächst unbestimmt. Die dringend benötigten Reformen werden hinten angestellt und auf den internationalen Finanzmärkten wird es unruhig.

Es würde erst mal zu einer Hängepartie bis zu den Neuwahlen kommen, während allein in den letzten Monaten schon durch die Debatte um diese Senatsreform viel geschludert und verloren gegangen ist, weil alles nur auf diesen Sonntag hin regiert und gemacht wurde. – Jörg Bremer

Jörg Bremer sieht in der Verbindung von Senatsreform und der Zukunft Renzis keinen klugen Schachzug. Die Reformen würden dadurch eher aufgehalten. Warum Renzi sich zu diesem Schritt entschlossen hat und was die Folgen sind, erklärt der Italien-Korrespondent der Frankfurt Allgemeinen Zeitung im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Alexander Hertel.

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