Schlechte Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft

Besser ohne Lehrstuhl?

Wer im Wissenschaftsbetrieb tätig werden will, der muss extrem flexibel sein. Stark befristete Verträge, häufige Standortwechsel und eine ungewisse Zukunft machen Lebensplanung für Nachwuchswissenschaftler nur schwer möglich. Ein Netzwerk fordert Reformen – darunter: die Abschaffung der Lehrstühle.

Schlechte Arbeitsverhältnisse, leidende Forschung

In Deutschland gibt es fast nichts, was nicht irgendwie formal geregelt ist. Auch die Befristung von Arbeitsverhältnissen ist gesetzlich festgeschrieben. Bei Wissenschaftlern an deutschen Hochschulen ist das Ganze jedoch deutlich komplizierter als in der freien Wirtschaft.

Seit 2007 regelt das sogenannte Wissenschaftszeitvertragsgesetz die Arbeitsbedingungen an den Universitäten. Mit diesem Gesetz sollte eigentlich festgehalten werden, wie lang eine Hochschule einen wissenschaftlich Beschäftigten als befristet einstellen darf, bevor er als unbefristet übernommen werden muss.

Gut gemeint, schlecht gemacht

Demnach durften Hochschulen Wissenschaftler sechs Jahre vor und sechs Jahre nach deren Promotion in befristeten Arbeitsverhältnissen halten.

Allerdings bot das Gesetz Ausnahmen, und das nicht zu knapp. Eine davon ist die Drittmittelregelung, durch die Wissenschaftler beliebig oft mit befristeten Arbeitsverträgen eingestellt werden können so lange ihre Stelle nicht von der Hochschule allein bezahlt wird. Dank unterfinanzierter Unis trifft das allerdings leider auf sehr viele dieser Stellen zu. Über die Jahre hinweg nahmen befristete Teilzeitstellen so stark zu, dass 2016 eine Änderung des Gesetzes beschlossen wurde. So wirklich geholfen hat die jedoch nicht: die Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft sind nach wie vor schlecht.

Die Ausnahme wurde zur Regel

Einer Umfrage der ZEIT zufolge hängen 90 Prozent der befragten Wissenschaftler in befristeten Verträgen fest. Sie sind gezwungen, sich von einer kurzfristigen Beschäftigung zur nächsten zu hangeln. Nicht selten sind die Stellenwechsel auch mit aufwendigen Umzügen verbunden. Eine Zukunftsplanung ist da im Grunde nicht machbar.

Die eigentliche Forschung und damit einhergehende Profilierungsmöglichkeiten kommen so jedoch viel zu kurz. Nur wenige Mitarbeiter werden tatsächlich irgendwann als Professoren fest angestellt. Der Rest hängt entweder ewig in prekären Verhältnissen fest, gibt den Wissenschaftsbetrieb ganz auf oder steht mit Mitte 40 als überqualifiziert, praxisfern und nicht auf dem freien Markt vermittelbar da.

Druck auf die Bildungspolitik

Im Netzwerk für Gute Arbeit in der Wissenschaft haben sich Wissenschaftler zusammengeschlossen, um diese Zustände anzuprangern und zu bekämpfen. Neben den stark befristeten Teilzeitstellen halten sie die steilen Hierarchien und die fehlende Mitte an deutschen Hochschulen für problematisch.

Warum sich die Situation des deutschen Wissenschaftsbetriebs soweit verschärft hat, erklärt der Mitinitiator des Netzwerkes Peter Ullrich, der auch wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin ist, im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Juliane Neubauer.

Lehraufträge, die früher beispielsweise mal dafür gedacht waren, Expertise von Außen ranzuholen, von Leuten, die ohnehin im Berufsleben stehen, sind heute häufig nur ein schlecht oder nicht bezahltes Arbeitsverhältnis, mit denen die universitäre Lehre am Leben gehalten wird.Dr. Dr. Peter Ullrich 

Redaktion: Alexander Goll

Moderation