Spaniens neues „Knebelgesetz“

Erinnerung an die Franco-Diktatur?

Das neue spanische „Bürgerschutzgesetz“ ist umstritten. Im Volksmund wird es „Knebelgesetz“ genannt. Denn in der Tat schränkt es die Freiheiten der Spanier ein. Seine Wirkung erstreckt sich von der Straße bis ins Internet. Entwickelt sich die spanische Demokratie zurück zur Diktatur?

Maulkorb für die Bürger

Nur wenige Monate vor den spanischen Parlamentswahlen sorgt die konservative Regierung für ordentlich Zündstoff – nicht nur im eigenen Land. Das von den Konservativen beschlossene „Bürgerschutzgesetz“, im Volksmund „Knebelgesetz“ (Ley Mordaza) genannt, schränkt neben der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, auch die Freiheit im Internet ein. Strafen für Tweets und Postings sind keine leere Drohung. Im Gegenteil, die Bußgelder können sehr hoch ausfallen.

So drohen bei Störungen öffentlicher oder religiöser Veranstaltungen Geldbußen in Höhe von 600.000 Euro. Eine spontane Versammlungen auf öffentlichen Straßen oder Plätzen wird mit 600 Euro geahndet. Der Besuch bestimmter Internetseiten kann unter Umständen mit einer Haftstrafe von ein bis fünf Jahren bestraft werden. Und auch Aufrufe zu spontanen Protestkundgebungen über soziale Netzwerke oder per SMS können gleichfalls Geldbußen oder Haftstrafen nach sich ziehen.

Schlag gegen die Demokratie

In der Tat schränkt das Gesetz die Freiheitsrechte der Spanier stark ein und unterwirft die Bürger dem Ermessen der spanischen Polizei. Denn geahndet werden Ordnungswidrigkeiten, keine Straftaten. Somit ist, anders als bei Verbrechen, bei diesen Anordnungen kein Richter oder Gerichtsverfahren nötig. Die Strafe kann lediglich im Nachhinein gerichtlich angefochten werden. Der Gesetzgeber hat somit die Polizeibeamten mit richterlichen Kompetenzen ausgestattet: Die Gewaltenteilung, einer der Grundpfeiler einer Demokratie wird damit maßgeblich untergraben. Denn die Polizei fällt das jeweilige Urteil und bestimmt in welcher Höhe die Sanktion verhängt wird.

Gegner werten die Reform als drastischen Schlag gegen die Demokratie und sehen die Freiheit der Bürger in Gefahr. Viele erinnert das neue Gesetz sogar an die dunklen Zeiten der Franco-Diktatur. Die iberischeVolkspartei hatte das Gesetz mit ihrer absoluten Mehrheit gegen den Widerstand der übrigen Parteien im Parlament verabschiedet. Nicht nur die spanischen Oppositionsparteien sind empört, auch NGO’s wie Amnesty International oder Greenpeace kritisieren das Gesetz. Ebenso zeigen sich die UNO und die  EU-Kommission hochgradig besorgt. Verfassungsrechtler, Journalistenverbände und zahllose Bürger fordern seit Wochen, dass das „Knebelgesetz“ außer Kraft gesetzt wird.

Die Wut der Spanier ist groß

In den vergangenen zwei Jahren nutzten die Spanier ihr Demonstrationsrecht: 87.000 mal gingen sie auf die Straße. Das waren mehr als hundert Demonstrationen am Tag. Gewalttätige Ausschreitungen blieben eher die Ausnahme. Wenn sich also die Spaniens Bürger in der Regel an die gesetzlichen Vorgaben halten, stellt sich die Frage, warum das sogenannte Bürgerschutzgesetz und eine Verschärfung des Strafgesetzes der Regierung notwendig erschien. Dazu hat detektor.fm-Moderatorin Jennifer Stange den Spanien-Experten Günther Maihold befragt. Seine Forschungsschwerpunkte bei der Stiftung für Wissenschaft und Politik sind Internationale Politik und Spanien.

Die Regierung in Spanien ist eindeutig auf einen falschen Weg. Es gibt eine europäische Identität, mit der wir in der ganzen Welt Bürgerrechte, Individualrechte und Menschenrechte hochhalten und da geht es weder in Ungarn, noch in Spanien, dass Verfahren etabliert werden, die diese Ideale untergraben und die Möglichkeiten zur freien Meiungsäußerung durch Geld- und Haftstrafen, oder sei es nur durch erhöhte staatliche Überwachung bewährt werden.Günther Maihold 

Redaktion: Carsten Jaenicke