Umstrittene Aufstockung der Schleierfahndung in Bayern

Verschleierte Grenzkontrollen

Während des G7 Gipfels hat die Polizei bei Kontrollen eine „besorgniserregende“ Anzahl an Straftaten aufgedeckt und Haftbefehle vollstreckt. Für den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann Grund genug, die Schleierfahndung entlang der bayerischen Grenzen auszubauen. Kritiker sehen die Maßnahme als verschleierte Grenzkontrolle.

Während des G7-Gipfels im bayerischen Elmau haben Landespolizei und Bundespolizei ihre Kontrollen ausgebaut. Bei mobilen Grenzkontrollen stellten Beamte nach eigener Aussage eine „besorgniserregende“ Zahl an Straftaten fest. Deshalb will das bayerische Innenministerium die Schleierfahndung nun deutlich ausweiten, daran sollen sich bis zu 500 zusätzliche Beamte beteiligen.

Streit um die Schleierfahndung

Seit mit dem Schengen-Abkommen die innereuropäischen Grenzen gefallen sind, setzt die bayerische Polizei auf die Schleierfahndung. Damit sind flächendeckende Kontrollen im Umfeld von Grenzen und Hauptverkehrsadern gemeint. Für die Kontrollen braucht die Polizei weder einen konkreten Verdacht noch einen Anlass. Die EU-Kommission lehnt das Verfahren ab. Sie sieht in der Schleierfahndung verdeckte Grenzkontrollen. Nach europäischer Rechtssprechung sind diese verboten, insbesondere wenn sie systematisch durchgeführt werden.

Grenzkontrolle auf bayerisch

Die bayerische Landesregierung fordert hingegen schon länger wieder Grenzkontrollen. Die zuständigen Minister begründen dies, je nach Tagesform, mit osteuropäischer Bandenkriminalität, dem „Flüchtlingsansturm“ oder dem weltweiten Drogenhandel. Tatsächlich haben Beamte während des Großeinsatzes beim G7-Gipfel über 8000 Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht festgestellt und 135 Haftbefehle vollstreckt. Weiterhin entdeckten die Beamten während des zweiwöchigen Einsatzes rund 150 Straftaten.

Vorgeschobene Begründung?

Ein Anstieg ist das allerdings nicht: Denn 2014 haben die bayerischen Schleierfahnder insgesamt rund 3900 Straftaten – also etwa 150 Straftaten in zwei Wochen entdeckt. Trotzdem begründet der bayerische Innenminister den Ausbau der Schleierfahndung mit den „besorgniserregenden“ Ergebnissen der Kontrollen während des G7-Gipfels.

Es hat sich gezeigt, dass hier in tausendfacher Weise illegaler Aufenthalt, Kriminalität stattfindet, dass hier reihenweise Personen, die seit langem mit Haftbefehl gesucht wurden, aufgegriffen wurden. – Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Kritik von vielen Seiten

Nach dem Willen Herrmanns sollen auch andere Bundesländer mitziehen. Der Chef der Innenministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Minister Roger Lewentz (SPD) hat dem bereits eine Absage erteilt. Auch die bayerische Polizeigewerkschaft sieht die Maßnahme kritisch. Dort befürchtet man, dass die Schleierfahndung zu Lasten anderer Aufgaben gehen könnte.

Angriff auf den Rechtsstaat?

Warum die Schleierfahndung für Streit sorgt und was es bedeutet, wenn jeder potentiell verdächtig ist, hat detektor.fm-Moderatorin Teresa Nehm mit Heribert Prantl, dem Leiter des Innenressorts der Süddeutschen Zeitung besprochen.

Das lässt sich mit der europäischen Freizügigkeit, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehört, nicht vereinbaren. Eigentlich erwarte ich, dass die Europäische Union eingreift.Heribert Prantl 

Redaktion: Christoph Höland