Verfassungskrise in Polen

Stehen die Polen noch zu ihrer Wahl?

Einmal mehr verstört und verunsichert die polnische Regierung ihre europäischen Nachbarn. Sie will das Urteil, das die von ihr durchgezogene Gerichtsreform als verfassungswidrig erklärt, nicht anerkennen. Die Europäische Union blickt mit Sorge auf die Demokratie in Polen. Doch wie ist die Stimmung unter den Polen selbst?

Europa mischt sich in Polen ein

Mitte Januar hat die EU-Kommission beschlossen, Polen auf seine Rechtsstaatlichkeit zu prüfen. Ein solcher Prüfungsprozess ist erst seit 2014 möglich und wird nun zum ersten Mal angewendet. Die Prüfung ist in drei Schritte unterteilt. Der erste Schritt – die Beobachtung – läuft bereits. Der Europa-Rat sieht vor allem die Reform des Verfassungsgerichts im letzten Dezember kritisch.

Die Venedig-Kommission, ein Gremium von 60 Verfassungsexperten, hat das Gesetz untersucht und sieht eine Verfassungskrise in Polen:

Die Venedig-Kommission stellt fest, dass solch ein noch nie dagewesener Schritt die Verfassungskrise in Polen weiter vertiefen würde. – Mitteilung des Europarates

Was sagt das Volk?

Die ersten Demonstrationen gegen die Regierung hat es bereits im Dezember in Warschau und anderen größeren Städten gegeben. Die Nationalkonservativen haben in den ersten Wochen des Jahres in den Umfragen an Zustimmung verloren. Von diesem Tief hat sich die Partei aber bereits erholt. Sie liegt mittlerweile wieder bei dem Wert, den sie auch bei den Wahlen zur Regierungspartei erlangt hat.

Diese Reformen und Eilgesetze rufen vor allem die alten Solidarnosc-Aktivisten auf den Plan. Viele junge Leute gehen eigentlich konform mit dieser Regierung. – Armin Coerper, ZDF-Korrespondent in Warschau

Rückblick: Stationen eines Umbaus

Die nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) hatte bei den Parlamentswahlen im Oktober eine deutliche Mehrheit geholt – und den klarsten Sieg einer Partei seit 1989. Seit November baut die Regierung konsequent den polnischen Staat um. Schon im Dezember verabschiedete sie die Gesetzesänderung, die das Verfassungsgericht und damit das wichtigste Kontrollorgan quasi entmachtete.

Nur zehn Tage später unterzeichnete Präsident Andrzej Duda dann die nächste Reform. Dieses mal ging es um die öffentlich-rechtlichen Medien. Die Regierung kann seit Anfang des Jahres die Chefs der Sender direkt bestimmen. Kritiker fürchten eine Einflussnahme auf die polnischen Medien und ihre Unabhängigkeit als kritische Kontrollinstanz.

Warum gerade die jungen Menschen die Regierung unterstützen und was die Regierungspartei für ihre Wähler so ansprechend macht, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Jennifer Stange mit Armin Coerper gesprochen. Er ist Korrespondent für das ZDF in Warschau.

Polen ist ein Land, das sich immer als europäisch definiert hat. Dass es sowas wie europäische Werte gibt, dass es Regeln gibt, die man einhalten muss, und dass nicht nur Gelder aus der EU kommen, die Autobahnen finanzieren – das wird den Leuten jetzt so langsam klar.Armin Coerper 

Redaktion: Maren Schubart