Was wichtig wird | EU-Spitzenkandidaten

„Will man das dem Wähler zumuten?“

Die europäischen Parteien stellen gesamteuropäische Spitzenkandidaten auf. Das soll die EU-Wahl transparenter machen: Wer mit seiner Partei die meisten Stimmen erhält, wird EU-Kommissionspräsident/in. Aber: Einige EU-Länder wollen sich offenbar andere Optionen offen halten.

Zwei Fernsehabende sind diese Woche für die Europawähler verplant. Denn die EU-Spitzenkandidaten diskutieren im TV. Zum Beispiel sendet das ZDF am 16. Mai das Duell zwischen Manfred Weber von der EVP gegen Frans Timmermans von der SPE. Die beiden haben vermutlich die größten Chancen auf den Titel Kommissionspräsident.

Das Spitzenkandidaten-Prinzip

Zum zweiten Mal bei einer Europawahl gilt das Spitzenkandidaten-Prinzip. Das heißt: Die Parteien im EU-Parlament gehen mit einem gesamteuropäischen Spitzenmann oder einer Spitzenfrau in die Wahl. Wer die meisten Stimmen erhält, soll Kommissionspräsident werden – so der Gedanke. Allerdings könnten die Regierungen der Mitgliedsstaaten das verhindern. Denn das EU-Parlament wählt zwar den Kommissionspräsidenten oder die Kommissionspräsidentin. Aber die Regierungen der EU-Staaten haben das Vorschlagsrecht. Sie könnten also einen völlig anderen Kandidaten zur Wahl stellen. Denn die EU-Verträge sagen zu den Spitzenkandidaten nur schwammig: Bei der Aufstellung müssen die Mitgliedsländer das Ergebnis der Europawahl „berücksichtigen“.

Macron hat andere Pläne

Emmanuel Macron hat vergangene Woche deutlich gemacht, dass er sich gern andere Optionen offen halten würde. Die Diskussion ist nicht neu. Es gab sie auch im Vorfeld der vergangenen Europawahl 2014. Damals wurde Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidat der EVP auch wirklich Präsident der EU-Kommission. Allerdings lag das auch an der Sitzverteilung im EU-Parlament. Denn die beiden größten Parteien EVP und SPE hatten eine relativ komfortable Mehrheit:

So eine Art Große Koalition entstand da. Und zwar vorher schon. Weil sich die beiden damaligen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker und Martin Schulz in die Hand versprochen hatten, dass der, der die größte Fraktion hinter sich hat, Kommissionspräsident wird. Und der andere ihn unterstützt. – Florian Eder, schreibt das Brussels Playbook, den täglichen Newsletter von Politico über EU-Politik.

Scheitert das Experiment Spitzenkandidaten?

Ist der Wahlkampf also bloß Schattenboxen? In welchen Szenarien könnte ein anderer Kandidat oder eine anderer Kandidatin die Kommission anführen? Wer könnte das sein? Und was hätte das für Konsequenzen für die Autorität der Spitzenkandidaten? Über diese Fragen spricht Florian Eder von Politico mit detektor.fm-Moderator Christian Erll.

In den großen Fraktionen ist es relativ klar, dass die niemanden wählen werden, der vorher nicht Spitzenkandidat war. Das ist die andere Seite der Medaille: Es könnte auf ein sehr langes Gezerre hinaus laufen. Ob man das dem Wähler und der Öffentlichkeit zumuten will, ist eine Frage, die die Regierungen für sich beantworten müssen.Florian Eder 

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Redaktion