Das EU-Parlament stimmt diese Woche über Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin ab. Die Stimmen der EVP hat sie relativ sicher. Aber woher sollen die übrigen 192 kommen, die sie mindestens noch brauchen wird? Florian Eder von Politico schätzt die Mehrheitsverhältnisse ein.
Es wird ernst für Ursula von der Leyen diese Woche. Am Dienstag möchte sie EU-Kommissionspräsidentin werden. Eine sichere Mehrheit im EU-Parlament hat sie aber nicht. Die 182 Abgeordneten der EVP (Europäische Volkspartei) werden wahrscheinlich geschlossen für sie stimmen. Aber sie braucht mehr als doppelt so viele Stimmen, nämlich mindestens 374. Der Rest der Stimmen muss also von den anderen Fraktionen kommen, die den Vorschlag des Europäischen Rates mittragen.
Das sind die Sozialdemokraten. Und das sind Liberale, eine weite Gruppe zwischen Frankreichs Präsident Emanuel Macron und den alten liberalen Kräften wie denen um Marc Rutten, dem Ministerpräsidenten der Niederlande. – Florian Eder, schreibt das Brussels Playbook für Politico Europe
Mit dieser Unterstützung würde es für von der Leyen locker reichen. Zusammen haben diese drei Fraktionen von EVP, S&D (Progressive Allianz der Sozialdemokraten) und Renew Europe 444 Abgeordnete.
Die Sozialdemokraten sind aber gespalten. Die deutschen EU-Abgeordneten der SPD kritisieren nach wie vor die Kandidatur von der Leyens: Mit ihr wäre das Spitzenkandidaten-Prinzip ausgehebelt. Deswegen wird von der Leyen nicht auf die Stimmen aller Sozialdemokraten im EU-Parlament zählen können.
Ich glaube, die deutschen SPD-Stimmen im Europaparlament muss sie abschreiben. Die haben sich sehr deutlich geäußert inzwischen. – Florian Eder, Politico Europe
Auch bei den Liberalen sind nicht alle Parlamentarier glücklich über die „Hinterzimmer“-Kandidatin. Bessere Chancen hat sie bei den spanischen und italienischen Parlamentariern der S&D-Fraktion. Denn Italien und Spanien sind vom Europäischen Rat mit bedeutsamen Stellen in der künftigen Kommission bedacht worden. Das könnte von der Leyen einige der noch benötigten Stimmen bringen. Vor der Wahl am Dienstag, dem 16. Juli 2019, redet sie vor dem Parlament in Straßburg. Darin wird sie ihre politischen Grundsätze und Pläne erklären. Es wird eine Schicksalsrede, sagt Florian Eder:
Ursula von der Leyen muss im Grunde die Rede ihres Lebens halten im Europaparlament. In einem Parlament, das ihr erst mal nicht sehr freundlich gegenüber steht, weil sie keine Spitzenkandidatin ist.Florian Eder
Wen kann die designierte Kommissionschefin noch überzeugen? Und welche Alternativen gibt es zu von der Leyen, falls sie krachend scheitert? Diese Fragen klären Florian Eder von Politico Europe und detektor.fm-Moderator Christian Erll im Gespräch.