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Unterwandert die Justizreform die israelische Demokratie?

Der israelische Premier Netanjahu möchte eine Justizreform durchsetzen. Das oberste Gericht würde damit stark an Einfluss verlieren. Ist die Demokratie Israels gefährdet?

Justizreform im Sinne Netanjahus

Die in Teilen rechtsextreme israelische Regierung um den Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu arbeitet an einer großen Justizreform. Ein Gesetz dazu ist von der Knesset, dem israelischen Parlament, auch schon verabschiedet worden. Das sogenannte „Lex Netanjahu“ sieht vor, dass Ministerpräsident:innen Israels nur bei gesundheitlichen Problemen dem Amt enthoben werden können. Das könnte vor allem dem amtierenden Ministerpräsidenten selbst entgegenkommen. Denn der ist wegen Betrug, Untreue und Bestechlichkeit angeklagt. Doch dank des neuen Gesetzes müsste der Premier auch bei einer Verurteilung nicht zurücktreten. Die weiteren Vorteile der noch zu beschließenden Gesetze wären für die regierende Partei enorm: Das Parlament könnte Entscheidungen des obersten Gerichts mit einer einfachen Mehrheit kippen. Zudem hätte die Regierung mehr Einfluss auf die Wahl der Richter:innen.

Es ist eine sehr breite Bewegung, das sieht man auch an den Zahlen. Es waren zuletzt mehrere Hunderttausende auf den Straßen. Das ist bei einer Bevölkerung von 9,5 Millionen eine unglaublich hohe Zahl.

Mareike Enghusen, Nahost-Korrespondentin

Foto: Ksenia Mazo

Landesweite Proteste

Seit Monaten regt sich in großen Teilen der Bevölkerung Widerstand gegen die Justizreform. Zehntausende Menschen sind auf die Straßen geströmt, um gegen die umstrittenen Pläne der Regierung zu protestieren. Dabei stehen sich linke und rechte Israelis gegenüber, teils aber kämpfen sie auch Seite an Seite gegen die Reformen. Die Proteste haben die Regierung zum Handeln gedrängt: Nun hat Netanjahu bekannt gegeben, die Justizreform zu vertagen und mit der Opposition verhandeln zu wollen. Nach einer Parlamentspause soll die Debatte weitergehen. Frühestens Ende April wird das Gesetzesvorhaben im Parlament zur Abstimmung vorgelegt. Unabhängig davon, ob die Reform durchgesetzt wird oder nicht, das Land steckt in einer Krise.

Es ist sehr sehr schwer zu beurteilen, ob Netanjahu der Motor hinter diesen Veränderungen ist oder ein Getriebener.

Daniel Mahla, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur der LMU München

Foto: privat

Ob die Demokratie Israels durch die geplante Justizreform gefährdet ist, darüber spricht detektor.fm-Moderatorin Sophie Warmbrunn mit der Nahost-Korrespondentin Mareike Enghusen. Sie berichtet für verschiedene Medien über die Justizreform und ist vor Ort in Tel Aviv. Der Geschichtswissenschaftler Daniel Mahla erklärt in der Folge die Hintergründe der geplanten Reform. Mahla ist Koordinator des Zentrums für Israel-Studien an der Ludwig-Maximilians-Universität München und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Jüdische Geschichte und Kultur.