Ist das gerecht? | Sammelklagen

Verbrauchersegen oder Geschäftsmodell?

Eigentlich will der Justizminister Heiko Maas Sammelklagen in Deutschland einführen. Doch für diese Legislaturperiode ist der Gesetzesentwurf gescheitert. Ganz vom Tisch ist das Vorhaben damit allerdings noch nicht. Herrschen in Deutschland bald juristische Verhältnisse wie in den USA?

Geschäftsmodell Sammelklagen

Das Konzept der Sammelklagen heißt im Englischen „class action“ und ist in den USA ein fester Bestandteil des Justizsystems. Dort ist es möglich, einen Rechtsstreit stellvertretend für eine Vielzahl von Geschädigten zu führen.

Üblich ist diese Verfahrensweise bei Klagen von Verbrauchern gegen Konzerne. So muss der Einzelne nicht den ganzen Rechtsstreit führen, sondern nur noch nachweisen, dass er zur Gruppe der Geschädigten gehört. Aber gerade in den USA gilt dieses Klagemodell vor allem als lukratives Geschäftsmodell für Anwälte. Die Rechte der Verbraucher scheinen dabei nebensächlich zu sein.

Nicht zu verwechseln mit Streitgenossenschaft

In Deutschland können aus praktischen Gründen mehrere Prozesse gebündelt werden. Das heißt dann Streitgenossenschaft oder auch Klagehäufung. Allerdings entspricht das nicht der Idee der Sammelklage. Dem deutschen Recht ist die Betroffenheit einer Gruppe fremd. Jeder Einzelne muss seine Betroffenheit nachweisen.

Gerade wenn Verbraucher ihre Rechte gegenüber Konzernen einklagen wollen, führt die deutsche Rechtslage zum taktischen Nachteil des Verbrauchers. Der hat nämlich im Normalfall nicht die Kapazitäten, gegen einen milliardenschweren Konzern anzutreten.

Zum Schutz von VW?

Spätestens seit dem VW-Abgas-Skandal ist das Thema Sammelklage in der öffentlichen Diskussion Deutschlands angekommen. Im Dezember 2016 brachte Justizminister Heiko Maas dazu einen Gesetzesentwurf ein. Das Modell heißt Musterfeststellungsgesetz und ist in kleinen Teilbereichen der Rechtsprechung schon etabliert.

Doch seit kurzem ist klar, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet wird. Massiver Gegenwind der CDU/CSU, aber natürlich auch von Wirtschaftsvertretern bremste das Gesetzgebungsverfahren aus. Der Entwurf für die deutsche Variante der Sammelklagen war schon vor dem Bekanntwerden des VW-Abgasskandals fertig. Dass das Gesetz bis heute nicht durch den Bundestag ging, kommt dem VW-Konzern entgegen.

Als man vor etwa zehn Jahren das erste Musterverfahrensgesetz für Kapitalanleger eingeführt hat, hieß es, wenn sich das bewährt, werden wir das auf andere Rechtsbereiche ausdehnen. Aber genau dieses Versprechen hat der Gesetzgeber nicht gehalten. – Achim Doerfer

Gibt es vielleicht doch gute Gründe, keine Sammelklagen in Deutschland einzuführen? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt Rechtsanwalt Achim Doerfer im Gespräch mit detektor.fm-Moderatorin Marie Landes.

In Deutschland befinden sich Großunternehmen in einer vergleichsweise paradiesischen Situation, weil wir hier im Gegensatz zu anderen Ländern keine Gesetze haben, um illegales Verhalten von Großunternehmen zu unterbinden. Wir haben kein Unternehmensstrafrecht, kein Strafschadensersatz und eben auch keine Form der Gruppenklage.Dr. Achim Doerfer 

Redaktion: Charlotte Muijs

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