Italien wählt und die Märkte zittern

Droht eine neue Euro-Krise?

In Italien wird am Wochenende über eine extrem wichtige Verfassungsreform abgestimmt. Einige Beobachter bewerten sie als die wichtigste Abstimmung der letzten 70 Jahre. Etwa ein Drittel der Verfassung soll umgeschrieben, der Senat entmachtet und das Land „zukunftsfähiger“ gemacht werden.

Italien-Referendum: Die Mammut-Reform

Es ist das nächste große europäische Referendum: Am Wochenende stimmen fast 51 Millionen Italiener über eine Verfassungsreform ab. Es könnte die umfassendste Reform in den rund siebzig Jahren seit der Gründung der Italienischen Republik sein.

Im Kern der Reform steht eine Entmachtung des Senats, dem italienischen Pendant zum Bundesrat: Dort sitzen 320 Senatoren, die genau so viel zu sagen haben wie die Mitglieder der ersten Kammer des italienischen Parlaments. Die Folge: Reformen sind in der Vergangenheit hin- und hergeschoben worden, das Land verharrt in einer wirtschaftlich angespannten Lage. Insbesondere die hohen Staatsschulden – fast 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – bleiben ein Problem.

Wird Renzi der zweite Cameron?

Nach den Plänen von Ministerpräsident Renzi werden aus rund 300 Senatoren nur noch übersichtliche 100. Und auch die sollen nicht mehr in allen Belangen mitreden dürfen, wie etwa bei Haushaltsfragen. Dazu soll fast ein Drittel der Verfassungsartikel umgeschrieben werden. Das Land ist gespalten: Die einen begrüßen es, das politische System zu entschlacken und effizienter zu machen. Die anderen sehen hinter der Senatsentmachtung einen Angriff gegen die Demokratie.

Für Ministerpräsident Matteo Renzi ist ein „Ja“ beim Referendum politisch nahezu alternativlos, denn er steht mit seiner Person für das gesamte Reformvorhaben. Lehnt das Land im Referendum die Reform ab, könnte das das Ende seiner Regierung bedeuten.

Renzi hat ja versprochen, dass er im Fall einer Niederlage zurücktreten wird. (…) dann ist die große Frage: Wie geht es in Italien weiter? Staatspräsident Mattarella hat mehrere Möglichkeiten: Er kann Renzi wiedererennen, er kann eine Technokratenregierung ernennen wie damals unter Monti – oder Neuwahlen ausrufen. – Malte Fischer, WirtschaftsWoche

Bei Neuwahlen übrigens sehen Beobachter Beppe Grillos linkes und euro-skeptisches Fünf-Sterne-Bündis in der Wählergunst vorn. Kommt das Bündnis an die Macht, wäre ein Referendum über einen EU-Austritt Italien wahrscheinlich. Und Renzi würde endgültig zu einem zweiten David Cameron werden.

Neue Euro-Krise?

Genau deswegen ist das Referendum nicht nur für Italien politisch und wirtschaftlich wichtig, sondern für die gesamte Euro-Zone. Am signalisierten Reformwillen der Italiener lässt sich ablesen, ob die hohen Staatsschulden tatsächlich bewältigt werden können.

Außerdem sehen Investoren bei einem Abtreten der Renzi-Regierung die Sanierung krisengeplagter Banken bedroht, in denen laut EZB noch fast 30 Prozent aller faulen Kredite von Großbanken der Euro-Zone schlummern.

Italien hat jetzt schon eine Schuldenquote von 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukt. (…) Sollte sie weiter steigen, besteht die große Gefahr, dass an den Märkten ein Käuferstreik eintritt. Das heißt: Italien könnte dann neue Anleihen nicht mehr am Markt unterbringen. In so einem Fall droht der Staatsbankrott.Malte Fischer 

Italien stimmt über die größte Verfassungsreform seiner Geschichte ab – und die Euro-Zone schaut besorgt zu. Wir haben mit Malte Fischer, Chefvolkswirt der WirtschaftsWoche, über die Hintergründe gesprochen.


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Redaktion