Wirtschaftsverbände gegen Brexit

Europäische Idee oder wirtschaftliches Kalkül?

Ein Gespenst geht um in Europa. Und dieses Gespenst nennt sich: Brexit. Nicht nur EU-Politiker blicken sorgenvoll auf den möglichen Ausstieg der Briten, auch die Wirtschaftsverbände setzen sich für den Verbleib des Königreichs ein. Gleichzeitig unterstützen sie aber auch die wirtschaftsfreundlichen Reformforderungen der Briten. Welches Motiv treibt die Verbände also in erster Linie an?

Die europäischen Staats- und Regierungschefs treffen sich und werden auch über den drohenden Austritt Großbritannien, dem sogenannten Brexit, verhandeln. Seitdem der britische Premierminister David Cameron Anfang 2013 seiner Bevölkerung ein Referendum über den Ausstieg versprochen hat, treibt er die Staatengemeinschaft vor sich her und fordert immer wieder Reformen.

Nun hat er sich auf ein Pokerspiel eingelassen. Läuft es gut und die anderen Staaten akzeptieren seine Forderungen, kann Cameron gestärkt nach London zurückkehren und auf seine Erfolge verweisen. Die Briten könnten dann doch noch gegen den Brexit stimmen.

Brexit: Risiken für alle Beteiligten

Ein möglicher Brexit wird aus wirtschaftlicher Sicht von vielen kritisch betrachtet. Denn die Briten könnten in der Konsequenz den freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren, der für rund die Hälfte des britischen Außenhandels verantwortlich ist.

Sowohl der britische Export als auch der Import wären betroffen, für die Unternehmen auf der Insel drohen dann deutliche Mehrkosten. Das Land ist vergleichsweise abhängig von ausländischen Direktinvestitionen, sie machen 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Ich glaube, dass alle Argumente dafür sprechen, dass es nicht zum Austritt Großbritanniens kommt. Auch der EU-Gipfel scheint in die richtige Richtung zu gehen. Es geht jetzt nicht um irgendwelche Super-Sonder-Privilegien für ein Land, sondern für Wünsche der britischen Regierung, von denen ganz Europa profitieren kann. – Peter Clever, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Auf wessen Seite stehen die Wirtschaftsverbände?

Um diese Folgen wissen auch die europäischen Wirtschaftsverbände, die Lobby der Industrie und der Arbeitgeber. Nun haben sie sich erstmals klar und geschlossen gegen den Brexit positioniert. In einem offenen Brief haben die 21 Verbände für ein geeintes Europa geworben.

Gleichzeitig haben sie sich aber auch zu den Forderungen von David Cameron bekannt. Er will die Europäische Union wettbewerbsfähiger gestalten, weniger zwanghafte Integration und die Position der Nicht-Euro-Länder stärken. Unterschrieben haben den Brief auch zwei Verbände aus Deutschland: der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Die Briten haben auf dem Bereich, der für Europa auch wichtig ist, nämlich einen einheitlichen Binnenmarkt zu schaffen, auch eine wichtige Rolle gespielt. Und da finden sie gezielt Unterstützung, davon trennen wir Unterschiede im Integrationsverständnisses Großbritanniens und der anderen EU-Mitgliedsstaten. – Peter Clever, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände

Über den offenen Brief der Verbände und den Brexit aus Sicht der Wirtschaft hat detektor.fm-Moderator Konrad Spremberg mit Peter Clever gesprochen. Er ist Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

Es gibt britische Forderungen, die berechtigt sind: schneller Abschluss von Handelsabkommen, die Komplettierung des Binnenmarktes. Es gibt natürlich auch Überlegungen, die wir skeptischer sehen.Peter Clever 

Redaktion: Markus Vorreyer