Forschungsquartett | Resilienz: Widerstandsfähigkeit in der Forschung

Krise? Welche Krise?

Eine innere Widerstandskraft macht uns krisenfest. Psychologen nennen sie Resilienz. Jetzt entdecken auch andere Wissenschaften das Konzept dahinter für die eigene Forschung: Wie resilient sind Ökosysteme, Gesellschaften und Wirtschaftsregionen?

Wochenlang stand Christina Berndts Buch „Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft“ auf der Spiegel-Bestsellerliste. Das Konzept der Resilienz ist also aus der Welt der Wissenschaft im öffentlichen Diskurs angelangt. Kein Wunder, denn wer möchte nicht mehr Kontrolle über sein Leben haben, unabhängig von äußeren Einflüssen sein, geschützt vor Burn-Out? Es scheint, als könne fast jeder etwas mehr Resilienz gebrauchen, um dem Alltag zu begegnen.

Immer mehr Wissenschaften nutzen das Resilienzkonzept für ihre Forschung

Bereits seit Jahrzehnten befasst sich die Psychologie mit der Frage, warum manche Menschen besser mit Schicksalsschlägen zurechtkommen als andere. Das daraus entwickelte Konzept ist inzwischen relativ ausgereift, die Wissenschaftler verstehen viele Zusammenhänge zwischen Widerstandskraft und Bildung, Erziehung und Kindheit. Auch die Soziologie bedient sich seit einiger Zeit der Resilienz, und nun befassen sich auch andere wissenschaftliche Disziplinen mit dem Konzept.

Wie schützt man die Energieversorgung vor Ausfällen?

Die Ökosystemforschung beispielsweise nutzt Resilienz, um die Widerstandskraft von Ökosystemen zu verstehen: Wie etwa kehren angeschlagene Ökosysteme zum ursprünglichen Artengefüge zurück? Wie gehen Ökosysteme mit Umweltkatastrophen um?

Auch die Ingenieurswissenschaften versuchten in den letzten Jahren, mit der Resilienz Antworten auf dringende Fragen zu finden: Wie schützt man kritische Infrastrukturen wie Stromversorgung oder Internetzugänge vor Ausfällen? Die Disziplinen können voneinander lernen, es gibt aber auch Differenzen. Das zeigt ein von Rüdiger Wink herausgegebener Sammelband, der diesen Monat bei Springer erscheint.

In der sozialen Arbeit ist Resilienz eher ein glückliches Ausnahmephänomen. In den Ingenieurswissenschaften, die den Ausfall kritischer Infrastrukturen verhindern möchten, muss es der absolute Regelfall sein. – Prof. Rüdiger Wink, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur

Rüdiger Wink hat das Konzept auf die Wirtschaftswissenschaften angewendet und versucht, zu ergründen, warum manche Städte und Regionen besser mit Wirtschaftskrisen umgehen können. Besonders erfolgreich hatten sich in dieser Untersuchung kleinteilig organisierte Regionen gezeigt, die nicht nur von wenigen großen Industrien abhängig waren. Er erklärt dies mit der höheren Flexibilität und geringerer Spezialisierung.

Integration und Bildung sind der Königsweg zur wirtschaftlichen Resilienz

Rüdiger Wink plädiert daher für einen Wandel in der klassischen Wirtschaftsförderung: Weniger finanzielle Unterstützung an Großunternehmen, um das Wirtschaftswachstum stabil zu halten, stattdessen mehr Förderung für Weiterbildungsmaßnahmen, um im Krisenfall nachhaltig flexibel zu sein. Integration und Bildung sind für Rüdinger Wink die Schlüsselkompetenzen um auf Krisen sozial und wirtschaftlich bestmöglich zu reagieren.

Wie das Konzept der Resilienz in der Forschung behandelt wird, darüber berichtet Mike Sattler:

Das ist der Zielkonflikt zwischen Effizienz und Resilienz: Man denkt, durch Spezialisierung, dadurch dass man sehr arbeitsteilig vorgeht, könne man eine Ressource effizient nutzen. Aber es erhöht natürlich auch die Krisenanfälligkeit.Prof. Rüdiger WinkFoto: Mike Sattler 

Redaktion: Mike Sattler