Mission Energiewende | Atomenergie

Atomenergie und wir — die komplizierte Gegenwart

Der Atomausstieg 2022 ist verschoben — vorerst zumindest. Welche Rolle spielen Emotionen in der aktuellen Debatte und wie haben sie sich über die Jahrzehnte verändert? Das fragen wir uns in der ersten Folge unserer Sonderserie zur Atomkraft.

Atomenergie — Das kleinere Übel

Die aktuellen Sorgen um steigende Energiekosten und mögliche Engpässe beeinflussen nicht nur die politische Debatte um Atomenergie. Auch in der Bevölkerung hat sich die Stimmung verändert. Laut dem ARD-Deutschlandtrend aus diesem Juni sind gut 60 Prozent der Befragten für eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke. Einer Umfrage im Auftrag des Magazins Der Spiegel zufolge konnten sich diesen August gut 40 Prozent der Befragten vorstellen, dass sogar neue Atomkraftwerke gebaut werden. Warum das so ist, erklärt die Psychologin Janna Hoppmann so:

Atomenergie ist für die meisten Menschen nicht zu einer super optimalen Lösung geworden, sondern eher eine Alternative, einem Plan B, mit dem wir jetzt in dieser Notsituation der knappen Energieversorgung arbeiten müssen.

Janna Hoppmann, Klimapsychologin

Foto: Klara Yoon

Emotionale Debatte

Die politische Debatte um den sogenannten „Streckbetrieb“ wurde sehr emotional geführt. Emotionen spielen generell eine große Rolle in der Geschichte der Atomenergie. Allerdings waren die nicht immer negativ, sagt der Technikethiker Prof. Dr. Armin Grunwald. In den 1950er und 1960er Jahre, so Grunwald, umgab die Atomenergie eine große Euphorie. Es war das Versprechen von Energie im Überfluss. Für die Psychologin Katharina van Bronswijk ist die Atomenergie auch ein Beispiel dafür, wie gut wir als Gesellschaft im Verdrängen sind:

Ich glaube, dass sich an der Atomkraft ganz wunderbar zeigt, wie gut Menschen im Verdrängen sind; wie gut wir es schaffen, Risiken beiseite zu schieben oder Dinge beiseite zu schieben, bei denen wir den Eindruck haben, dass wir nichts daran verändern können.

Katharina van Bronswijk, Psychologin

Foto: A. Boehmann

Vertrauen in Technik

Vor dem Hintergrund steigender Energiekosten und der Klimakrise setzen viele Menschen ihre Hoffnung in technologische Entwicklungen. Die Idee: Sie sollen helfen, die Probleme, die wir innerhalb der Gesellschaft haben, in den Griff zu bekommen. Technikethiker Armin Grunwald hält diese Vorstellung für naiv:

Mit Technik ist seit etwa 200 Jahren ein Perfektionsversprechen verbunden. Es ist bisher nicht eingelöst worden.

Prof. Dr. Armin Grunwald

Foto: KIT

Welche Rolle spielen Emotionen in der Debatte um Atomenergie? In der ersten Folge unserer Sonderreihe zum Thema Atomenergie sprechen detektor.fm-Moderatorin Ina Lebedjew und detektor.fm-Redakteurin Sara-Marie Plekat über Sorgen und Ängste. Antworten auf ihre Fragen suchen sie bei den Psychologinnen Janna Hoppmann von ClimateMind, Katharina van Bronskijw von Psychologists and Psychotherapists for Future und dem Technikethiker Armin Grunwald vom Karlsruher Institut für Technologie.

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