Verkehrtes Leben: Spiegelbakterien könnten die Medizin revolutionieren — doch Forschende warnen vor unkontrollierbaren Risiken für Mensch und Natur.
Spiegelbakterien bergen große Gefahren, warnten im Dezember 2024 fast 40 Forscherinnen und Forscher im Fachjournal Science, darunter einige Nobelpreisträger. Das schlug Wellen: Zahlreiche Medien griffen die Warnung auf. Droht hier eine Gefahr aus den Laboren?
Spiegelbakterien verkehren den normalen Aufbau der Moleküle: Diese können in zwei Formen existieren, die sich wie Bild und Spiegelbild zueinander verhalten. Sie bestehen aus linkshändigen Aminosäuren und rechtshändigen Nukleinsäuren. In der Biologie bezeichnet man dieses Phänomen als Chiralität.
Bei Spiegelbakterien wären dagegen Bausteine wie DNA, RNA und Proteine spiegelbildlich zu den in der Natur vorkommenden Molekülen aufgebaut. Entsprechend verhielten sie sich auch anders als bisher bekannte Mikroorganismen. Noch steckt die Forschung dazu in den Kinderschuhen. Doch Fachleute glauben, dass man sie in einigen Jahren im Labor züchten könnte.
Die Forschung dazu zielt beispielsweise darauf ab, neue therapeutische Ansätze und Materialien zu entwickeln. Medikamente könnten etwa auf Basis von Spiegelmolekülen im menschlichen Körper stabiler sein, da sie von natürlichen Enzymen nicht erkannt und abgebaut werden. Zudem könnten solche Organismen in der Biotechnologie eingesetzt werden, um Produktionsprozesse zu optimieren und vor Kontamination zu schützen.
Die Sorge einiger Forschender ist allerdings, dass die Erschaffung solcher Spiegelbakterien unser Immunsystem überfordern könnte, da deren molekulare Struktur für die üblichen Abwehrmechanismen unsichtbar wäre. Entsprechend würde das Immunsystem die neuen Mikroorganismen nicht erkennen oder nicht adäquat bekämpfen können, so die Befürchtung. Dies könnte zu unkontrollierbaren und potenziell tödlichen Infektionen führen, warnen die Forschenden.
Angesichts dieser Gefahren fordern die Wissenschaftler ein Ende der Forschung an Spiegelbakterien, bis die potenziellen Risiken umfassend bewertet und geeignete Sicherheitsmaßnahmen etabliert sind. Sie betonen die Notwendigkeit einer globalen Diskussion über die ethischen und sicherheitstechnischen Aspekte dieser Forschung, um unkontrollierbare Konsequenzen zu vermeiden.
Das Risiko ist den Fachleuten zufolge zwar klein, aber der mögliche Schaden eben sehr groß.
Frank Schubert
Es gibt jedoch auch Stimmen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft, die die Warnungen für übertrieben halten. Im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Marc Zimmer erklärt Frank Schubert von Spektrum der Wissenschaft, was man über die Spiegelbakterien wissen muss und wie die Warnung der Forschenden einzuordnen ist.