Erinnerungskultur im Wandel

#Unwissenheit

Im Internet werden Wehrmachtshelme verkauft und auf Instagram wird der Hashtag „arbeitmachtfrei“ für Büro-Selfies benutzt. Gleichzeitig ist eine Partei im Bundestag, deren Vertreter eine „erinnerungspolitische Wende“ wollen. Wie steht es um die Erinnerungskultur in Deutschland?

Nazi-Symbolik in der Öffentlichkeit

Der Mord an den europäischen Juden, der Holocaust, ist eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Deshalb beschäftigen deutsche Schüler sich im Unterricht intensiv mit dem Dritten Reich.

Da überrascht es, dass der Hashtag „#arbeitmachtfrei“ teilweise für glückliche Selfies benutzt wird und dass Wehrmachts-Devotionalien bei Amazon oder Real im Angebot sind. „Arbeit macht frei“ ist der Schriftzug über dem Vernichtungslager Auschwitz. Zuletzt sorgt außerdem eine Stickerei auf dem Sitzpolster eines sächsischen Polizeipanzers für Aufregung. Die erinnert stark an den Reichsadler aus der NS-Zeit.

Eine andere Sache ist es, wenn so etwas in einem staatlichen Raum passiert, so wie es in Sachsen mit diesem Polizeipanzer passiert ist. Da haben Angestellte des Staates die Verantwortung und die müssen verhindern, dass so etwas passiert. – Christoph Classen, Historiker

Erinnerungskultur wird angegriffen

Wenn Privatpersonen solche Dinge aus Unwissenheit passieren ist das eine Sache. Anders ist es, wenn Geschichte sogar umgedeutet werden soll. Das haben Politiker der AfD vermehrt gefordert.

Kollektives Gedächtnis im Wandel

Das kollektive Gedächtnis verändert sich, vor allem jetzt, wo die letzten Zeitzeugen der NS-Zeit sterben. Dabei lohnt es sich im Hinterkopf zu behalten, dass der Holocaust nicht immer ein zentraler Teil der Erinnerungskultur war. Erst durch die amerikanische TV-Serie „Holocaust“ kam Ende der 70er Jahre in der Bundesrepublik eine neue Diskussion um die Verbrechen auf.

Diese größere Sensibilität gegenüber bestimmten Begriffen, die von den Nazis geprägt worden sind, die setzt eigentlich erst in den 80er und 90er Jahren ein. Erinnerungskultur ist immer ein dynamischer Prozess. – Christoph Classen

Wie sich die deutsche Erinnerungskultur verändert und wie man ein Bewusstsein für NS-Wortwahl schaffen kann, darüber hat detektor.fm-Moderatorin Doris Hellpoldt mit dem Historiker Christoph Classen gesprochen. Er leitet am Zentrum für Zeithistorische Forschung das Projekt „Zeitgeschichte der Medien- und Informationsgesellschaft“.

Ein Mittel dagegen ist die Skandalisierung. In dem Moment, wenn Nazi-Begriffe verwendet werden und es einen öffentlichen Aufschrei gibt, wird ein Bewusstsein geschaffen. Und Leute die das vorher nicht wussten, merken: Das sollte ich vielleicht nicht benutzen, denn das steht in Auschwitz über dem Eingangstor.Christoph Classen 

Redaktion: Rewert Hoffer

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