Album der Woche: Alt-J – Relaxer

Kein Bock auf Konsens

Alt-J füllen mit ihrem eigenwilligen Sound große Arenen. Das britische Trio gilt als Konsens-Band. Mit Album Nummer drei könnte sich das nun ändern. Für „Relaxer“ ernten Alt-J mitunter vernichtende Kritiken. Wir geben Entwarnung: so schlimm ist die neue Platte gar nicht.

Wie schreibt man einen typischen Alt-J-Song? Die vermutlich beste und zugleich banalste Antwort darauf haben zwei Reiswaffel-mampfende Jungs, die in einem viralen Video die britischen Art-Rocker parodieren.

Satire als Krönung

Das Video zeigt auf höchst amüsante Weise, dass Alt-J etwas geschafft haben, das nur wenigen Bands vergönnt ist: sie haben einen ureigenen Songwriting-Stil geprägt. Der mag im Ansatz ziemlich simpel und so wie die Parodisten ganz schön bekifft sein, hat aber dieses Trademark-Potenzial, das in den beiden bisherigen Alt-J-Alben steckt. Das dritte Album „Relaxer“ zeigt nun aber, dass es alles andere als banal ist, wenn Alt-J Songs schreiben.

Es geht tatsächlich entspannt zu auf „Relaxer“. Alt-J kurven mit angezogener Handbremse durch die oft kargen, manchmal pompösen Soundlandschaften. Sie lassen sich viel Zeit fürs musikalische Auserzählen. Und so ist nach acht (größtenteils langen) Songs auch schon alles gesagt. Ein paar Ausreißer gibt es dennoch. Das mit Bläsern angedickte „In Cold Blood“ zum Beispiel. Oder das garagige „Hit Me Like That Snare“. Letzteres ist das Produkt einer spontanen Jam-Session. Eine ähnliche Entstehungsgeschichte wie damals bei „Left Hand Free“. Der Song, der sich zum heimlichen Hit entwickelte. Bei „Hit Me Like That Snare“ geht’s diesmal leider nach hinten los. Das klingt dann doch zu einfallslos.

Wirre Fährten

Am besten sind Alt-J auf „Relaxer“ immer dann, wenn sie komplexe Arrangements wirr verschachteln. Wenn sie den ruhigen Erzählstil atmosphärisch punktuell verdichten. Wie in „Pleader“, dem letzten Stück auf der Platte, das sich mit Hilfe von Streichern, Orgel und Knabenchor zu einem herrlich pathetischen Filmsoundtrack aufschwingt.

Auf textlicher Ebene schwingen Alt-J wie eh und je mit der großen Referenz-Keule. Sie singen ihren Bandnamen in Binärcode, zitieren den Hippie-Klassiker „House Of The Rising Sun“ und verstecken in den Lyrics wieder allerhand explizite Anspielungen auf sexuelle Praktiken. Wer tiefer in die Materie einsteigen will, kann Stunden auf dem Songtext-Portal Genius verbringen, wo findige User den Alt-J-schen Kosmos bis ins kleinste Detail auseinandernehmen. Das ist zugegeben total nerdig, aber vielleicht funktioniert diese Band auch deswegen so gut. Weil sie in ihren Songs Fährten legt, die nicht unbedingt entdeckt werden sollen. Und falls es dann doch jemand dechiffriert, freuen sich alle schelmisch.

Kein Konsens-Album

Wie so viele Indie-Bands, die sehr schnell sehr viel Erfolg hatten, wollen Alt-J auf „Relaxer“ nicht das wiederkäuen, was sie so erfolgreich gemacht hat. Dazu gehört vor allem das entschleunigte Musizieren, wie in „Last Year“, einem Duett mit der wunderbaren Marika Hackman. Dazu gehören Ansagen wie: Wir machen jetzt mal was mit Streichern und einem Knabenchor! Dazu gehört auch, dass man sich mal die Finger verbrennt. Und vielleicht ist es ja gut, dass „Relaxer“ nicht so ein Konsens-Album ist, wie seine beiden Vorgänger. Ein paar tolle Songs und einen Spitzensound hat es allemal. Dumm aus der Wäsche gucken nur die Jungs mit den Reiswaffeln. Alt-J parodieren – das ist jetzt um einiges komplizierter geworden.

Redaktion