Album der Woche: Joanna Newsom – Divers

Abtauchen ins Labyrinth

Die Musik von Joanna Newsom ist nichts zum nebenbei hören. Ihre anspruchsvollen Kompositionen verbinden Folk-Elemente, Indie-Rock und Klassik. Ihre avantgardistischen Texte lassen sehr viel Raum zum interpretieren. Mit ihrem vierten Album „Divers“ zeigt sich die Kalifornierin von ihrer poppigen Seite.

Sie könne es sich nicht erlauben, einfache Song zu schreiben, sagt Joanna Newsom, denn das würde ihre Fans enttäuschen. Eine simple Junge-trifft-Mädchen-Liebesgeschichte in Strophe-Refrain-Format findet man deshalb auch nicht auf ihrem vierten Album Divers. Allerdings macht sie das gar nicht bewusst, sagt sie.

Auf keinen Fall normale Songstrukturen

Das stimmt, aber ich mache das nicht bewusst. Es ist ja nicht so, dass ich mich zum Song schreiben hinsetze und denke: Auf keinen Fall normale Songstrukturen! Kein Strophe-Refrain-Format! Diese Art zu schreiben ist für mich nur nicht unbedingt die einfachste. Ich benenne die Teile dann meistens mit A, B, C und so weiter. Aber das ist alles recht willkürlich.

Divers ist vergleichsweise leicht zugänglich, die Songs im Unterschied zu ihren zehnminütigen Balladen geradezu poppig. Trotzdem ist das Album wie ein Gartenlabyrinth, mit exotischen Pflanzen, schillernd bunten Vögeln und exzentrischen Besuchern. Neben Newsoms Harfe und Klavier kommen unzählige Instrumente zum Einsatz, sogar zwei Orchester begleiten sie bei einigen Stücken.

Wenn Newsom Songs schreibt, beginnt sie meistens mit der Melodie, sagt sie.

Ich beginne meistens mit Akkorden und der Melodie. Die kommen oftmals zusammen mit schemenhafte Themen oder Geschichten, zu denen es aber noch keinen Text gibt. Ich benutze dann Platzhalter um die Gesangsmelodie zu schreiben und danach fange ich erst mit dem eigentlichen Songtext an. Das kann dann alles zwischen zwei Wochen und zwei Jahre dauern.

Es wird viel getaucht

Die Songs auf Divers sind komplexe Erzählungen von Krieg, New York City, Liebe und Zeit. Ihr seltsamer Gesang zwischen Hochfrequenz und Quäken verleiht den referenzbeladenen Texten zusätzliche Ausdrucksstärke. Den Albumtitel Divers hatte Joanna Newsom von Anfang an im Kopf.

Ich hatte den Titel von Anfang an im Sinn, wusste damals aber noch nicht so genau warum. Aber irgendwann ist mir aufgefallen, dass es in allen Songs im weitesten Sinne eine Form von Tauchen gibt. Tauchen im Wasser, in der Luft oder nach Beute tauchen, wenn du ein Vogel bist. Es wird viel getaucht.

Man kann wohl mit Recht behaupten, dass es derzeit niemanden gibt, der so Musik macht wie Joanna Newsom. Man muss sich einlassen auf ihre Mischung aus Folk, Avantgarde und Klassik. Wer Spaß an komplexen Kompositionen hat und sich gerne durch vielschichtige Texte arbeitet, für den ist Divers genau das richtige Herbstalbum.

Redaktion