Cass McCombs über sein neues Album „Tip Of The Sphere“

Tragik, Humor und Abgründe

Schon seit über 15 Jahren veröffentlicht der Songwriter Cass McCombs Musik, die zwischen Folk, Country und Psychedelia verortet ist. In seinen Songs kann man überraschende Perspektiven gewinnen – auf das Leben und seine hässlichen und wunderbaren Seiten. Das gilt auch für sein neues Album „Tip Of The Sphere“.

Wenn man sich die Songs von Cass McCombs anhört, kann folgendes passieren: Zuerst muss man lachen und kurz darauf bleibt einem das Lachen im Hals stecken. Oder umgekehrt. Tragik und Humor, Romantik und Toilettenwitze, Abgründe und Verletzlichkeit liegen bei McCombs manchmal nur eine Textzeile voneinander entfernt. Der ehemalige Vampire Weekend-Keyboarder Rostam Batmanglij hat es mal so formuliert: „Oberflächlich betrachtet sind seine Songs sehr simpel. Aber darunter gibt es eine emotionale Tiefe, die dich nicht mehr loslässt.“ Eine ziemlich treffende Beschreibung, auch für das neue Album Tip Of The Sphere.

Auf der Suche nach etwas einzigartigem

Cass McCombs wächst in der San Francisco Bay Area auf, beginnt mit 14 Gitarre zu spielen, probiert sich in diversen Bands aus. Nach der High School tingelt er durch die Gegend, zieht nach New York, Baltimore, Chicago. Er schläft bei anderen Leuten auf der Couch oder in seinem Auto. 2002 erscheint seine erste EP Not The Way, die klanglich im LoFi-Folkrock angesiedelt ist. Seitdem hat er die unterschiedlichsten Genres angefasst, von Punk über Psychedelic Rock, bis Soul, Pop, Blues und Country. Aber er spielt diese Stile nicht einfach nur, sondern lotet ihre Grenzen aus, immer auf der Suche nach etwas anders- oder einzigartigem.

Ich will nicht so klingen wie andere Künstler, deswegen verpfusche ich manche Dinge absichtlich oder gebe ihnen einen seltsamen Twist. Ich suche nach etwas einzigartigem.

Sein nunmehr neuntes Studioalbum Tip Of the Sphere hat McCombs in den Figure 8 Studios in Brooklyn aufgenommen. Mit dabei war seine Band: Bassist Dan Horne, Drummer Otto Hauser und Frank LoCrasto am Klavier. Und wie all seine Alben, ist auch dieses live eingespielt.

Im Grunde gehe ich jedes Album gleich an. Ich mag Folk, Blues und 50s-Rock’n’Roll. Ich mag es, wenn man die Atmosphäre im Raum hört und die Interaktion zwischen den Musikern. Wir versuchen das auch, alles so live wie möglich. Natürlich passieren Fehler, die man korrigieren muss. Aber es nicht so wie bei Elvis, der zwei Tage an jedem Stück arbeiten konnte. So viel Zeit hatten wir nicht.

Auf Tip Of The Sphere finden sich unter anderem Country, Ragtime und Jazz-Referenzen. Ein sanftes Schunkelklavier, verschachtelte Gitarrenläufe, ein rumpelndes Schlagzeug, aber auch mal ein zart trällerndes Saxophon – Tempo und Stimmung wechseln sich fast im Minutentakt ab. Durch den Song Real Life wehen veträumte Tabla-Klänge, während American Canyon Sutra eine nüchterne Spoken-Word-Meditation zu Drumcomputer-Beats ist.

Klassische Slow Burner

Man kann das Album problemlos im Hintergrund laufen lassen, aber bei genauerem Hinhören enthüllen sich nicht nur die vielen musikalischen Twists und Details. Wie immer bei McCombs lohnt auch hier ein genauer Blick auf seine Texte. Storytelling kombiniert er mit galliger Kritik, Alltagsbeobachtungen und Ausflügen ins Unterbewusste. Daraus baut McCombs oftmals schwer zu entwirrende Allegorien. Aber gerade das macht seine Songs so reizvoll.

Auf Tip Of The Sphere setzt sich der Musiker mit Fragen der Identität und Obdachlosigkeit auseinander, seziert den American Way Of Life. In dem Song The Great Pixley Train Robbery wird eine alte Westernlegende zum Symbol für Habgier.

Ich wollte einen Song über die Eroberung des amerikanischen Westens schreiben, den Goldrausch. Bei Westen denken die meisten an Texas oder Arizona, aber in Kalifornien gibt es auch solche Orte. Darum geht es in dem Song “The Great Pixley Train Robbery”. Das ist ein Symbol für Habgier. Man verfrachtet Leute aus der ganzen Welt dorthin, damit sie Gold suchen. Sie töten die Ureinwohner, sprengen Berge und zerstören Ökosysteme für ein bisschen Glitzerzeug.

Die Songs von Cass McCombs sind klassische Slow Burner: lässt man sich drauf ein, enthüllen sie nach und nach ihre Geheimnisse, um sich dann dauerhaft im Kopf festzuhaken. Auf Tip Of the Sphere stellt er einmal mehr seine Qualitäten als exzellenter Songwriter heraus, die seinerzeit schon Radiolegende John Peel überzeugt haben. „Unaufdringlich brilliant“ sei die Musik von McCombs meinte Peel, und damit hat er mal wieder völlig richtig gelegen.

Redaktion