Nilüfer Yanya mit Debütalbum „Miss Universe“

Londoner Popdystopien

Nach King Krule und FKA Twigs heißt Londons nächster musikalischer Geheimtipp jetzt Nilüfer Yanya. Mit „Miss Universe“ veröffentlicht die britische Musikerin ein progressives Pop-Album, fernab von gängigen Genre-Klischees.

Ein echtes Original

„A true original“, titelt der Guardian über Nilüfer Yanya. Die Pop-Sängerin ist aktuell wohl eine der spannendsten Künstlerinnen der britischen Musikszene. Als musikalisches Sprungbrett macht sie sich zunächst Soundcloud und schließlich die renommierte BBC Sound of 2018 Liste zunutze. Seitdem geht es für die Britin steil bergauf: Zahlreiche Festivals, ein Auftritt im Youtube-Format Colors und Support für namhafte Bands. 2019 macht sie jetzt den nächsten wichtigen Schritt und veröffentlicht ihr erstes Album „Miss Universe“.

DIY-Musik

Wie es sich so für ein wahres „true original“ gehört, ist Nilüfer natürlich auch in London geboren und aufgewachsen. Hineingeboren in eine Künstler-Familie, ist ihr der Hang zum Kreativen damals bereits in die Wiege gelegt.

Ich wollte schon immer Künstlerin sein. Schon als Zehnjährige stand für mich fest, dass ich mal Musikerin werden will. – Nilüfer Yanya

Auf ihrem Werdegang erhält sie viel Unterstützung aus ihrem persönlichen Umfeld. Weite Teile ihres neuen Albums sind im Tonstudio ihres Onkels in Cornwall entstanden, die Musiker, die sie bei ihren Live-Auftritten unterstützen, sind alte Schulfreunde. Außerdem arbeitet sie heute noch mit ihrem Gitarrenlehrer aus Kindertagen zusammen.

Den persönlichen DIY-Ansatz und die frühe Leidenschaft fürs Musik machen, merkt man Nilüfer Yanyas Debütalbum deutlich an. „Miss Universe“ gelingt es überzeugend, das Lebensgefühl eines jungen Menschen im 21. Jahrhundert einzufangen. Irgendwo zwischen Erwachsenwerden, Großstadtleben und moderner Technik.

Dunkle Dystopie oder bereits Realität?

„Thank you for entering your details and welcome to WWAY HEALTH™, our 24/7 care program. We are here for you; we care for you; we worry about you so you don’t have to.“ Mit automatisiert-emotionsloser Stimme begrüßt eine intelligente Sprachassistentin die Hörer von „Miss Universe. Im weiteren Verlauf des Albums wird ihre Stimme noch häufiger zu hören sein. Die Siri-ähnlichen Sprachnachrichten könnten genau so auch aus einer neuen Black Mirror Folge stammen. Für Nilüfer Yanya allerdings haben Dystopien längst nicht mehr mit düsteren Netflix-Serien zu tun.

Das interessante an Black Mirror und Dystopien ist, dass das keine Zukunftsvisionen sind. Wir leben heute doch schon in einer Dystopie. Ich kann nicht vorhersagen, was in der Zukunft passiert, aber bereits jetzt existiert neben unserer utopischen Welt auch eine dystopische Realität. – Nilüfer Yanya

Pop mit Ecken und Kanten

Die unheilvollen Nachrichten von „Miss Universe“ stehen im starken Kontrast zu Nilüfer Yanyas persönlichen Texten, die sich mit viel besungenen Themen wie Liebe, Krisen und Enttäuschungen auseinandersetzen. Doch trotz bekannter Pop-Sujets hat „Miss Universe“ nichts mit glattgebügelter Wohlfühlmusik zu tun. Das musikalische Spektrum reicht von der gitarrenlastigen Indiehymne bis hin zum radiotauglichen Hit. Gespickt wird das Ganze mit lyrischen Referenzen und Souleinflüssen. Die kurzen Zwischenspiele der intelligenten Sprachassistentin bringen die einzelnen Songs in ihrer Unterschiedlichkeit wieder zusammen und lassen einen loses Konzeptalbum entstehen.

Mit den Sprachnachrichten wollte ich den Songs einen anderen Kontext geben und um das Album herum eine Geschichte erzählen. – Nilüfer Yanya

Londons „Miss Universe“

Mit „Miss Universe“ gelingt Nilüfer Yanya souverän der schwierige Spagat zwischen Mainstream und Nische. Ihr Debütalbum hat das Potenzial sowohl Radio als auch Feuilleton zu begeistern. Die besten Voraussetzungen also, um 2019 vom Londoner „true original“ zur nächsten „Miss Universe“ aufzusteigen.

Redaktion: Alina Schneider