Zurück zum Thema | Waffen (3/4)

Warum dreht sich die Waffendebatte im Kreis?

Wenn in Deutschland über Waffen gesprochen wird, dann meist als Reaktion auf einen Vorfall mit Schusswaffen. Die Debatte ist emotional statt faktenbasiert und die Fronten sind verhärtet. Warum ist das so?

Schusswaffen als Tabuthema

Rund 5,4 Millionen Schusswaffen befinden sich in Deutschland in Privatbesitz. Welche Waffen genau und wo diese lagern, ist schwierig herauszufinden – unter anderem weil Behörden überfordert sind. Das haben uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Waffenbehörden in Folge 2 unserer Podcast-Reihe zum Thema Waffen erzählt.

Allerdings wollten sie dabei anonym bleiben. Das Thema scheint ein Tabu zu sein. Auch mit anderen Gruppen fällt es schwer, ins Gespräch zu kommen. Als wir bei Schützenvereinen anrufen, legen viele auf, sobald sie das Wort „Podcast“ hören.

Die Politik greift die Debatte um Schusswaffen oft erst dann auf, wenn es wieder einen Anschlag oder Amoklauf gibt. Die meisten Waffenrechtsänderungen der vergangenen Jahre sind als Reaktion auf solche Ereignisse entstanden. So war es auch 2002 beim Amoklauf von Erfurt, als zum Beispiel die Altersgrenze für den Waffenkauf angehoben wurde. Allerdings hatte der Bundestag das Waffenrecht kurz davor schon einmal geändert. Waffenlobbyist Joachim Streitberger sitzt deshalb damals auf einem Podium im Parlament, während ein junger Mann in einem Erfurter Gymnasium auf Menschen schießt.

Damals war die Meldung: Drei Tote. Und dann habe ich gesagt: „Drei Tote, das könnte noch klappen. Aber wenn es mehr werden, dann haben wir keine Chance.“ Und kurz darauf waren es siebzehn Tote. Du weißt genau: Jetzt wird’s wieder losgehen.

Joachim Streitberger, Rechtsanwalt und Waffenlobbyist

Dass die Debatte über Schusswaffen oft emotional geführt wird, hat auch Felicitas Boeselager erfahren. Sie hat 2016 beim Deutschlandradio einen Beitrag zu Waffenbesitz in Deutschland veröffentlicht und daraufhin ihren ersten Shitstorm erlebt. Boeselager vermutet, dass Personen mit Schusswaffen sich in den Reaktionen auf Amokläufe eine bestimmte Ecke gedrängt fühlen und deswegen nicht mit Journalistinnen und Journalisten sprechen wollen.

David Matthes bestätigt diese Vermutung. Er ist zweiter Schützenmeister in Bergrheinfeld und meint, Mitglieder von Schützenvereinen würden in der Berichterstattung zu oft mit Kriminellen und Reichsbürgern auf eine Stufe gestellt.

Datengrundlage für eine faktenbasierte Debatte fehlt

Um hier differenzieren zu können, müsste es beispielsweise Daten dazu geben, wie viele Straftaten mit legalen und wie viele mit illegalen Waffen begangen werden. Die FDP hat versucht, das mit einer Anfrage an das Bundesinnenministerium herauszufinden. Sie ist gescheitert, denn die Zahlen werden nicht erhoben. Ein Problem, meint Konstantin Kuhle von der FDP, mit dem wir unter anderem in dieser Folge von „Zurück zum Thema“ sprechen.

Denn, wenn man das nicht beantworten kann, dann ist die politische, journalistische – und überhaupt – Diskussion zwischen diesen Lagern sehr, sehr schwierig. Denn dann wird mit Halbwahrheiten und Vermutungen gearbeitet, dann ist Raum für Lobbyismus, dann ist Raum für Unklarheiten.

Konstantin Kuhle, FDP-Politiker und Mitglied im Innenausschuss des Bundestags