Das Meer als Rohstoffquelle, Lebensraum und politischer Raum: Prof. Surabhi Ranganathan untersucht, wie internationales Seerecht unsere Nutzung der Meere prägt und welche Visionen dabei überhört werden.
Nach vielen Jahren Verhandlung trat 1994 das UN-Seerechtsübereinkommen in Kraft. Es regelt unter anderem die Hoheitsgewässer oder Wirtschaftszonen auf dem Wasser. Eine besondere Rolle spielt der Meeresboden jenseits nationaler Grenzen. Er gilt als gemeinsames Erbe der Menschheit. Zuständig für seine Verwaltung ist die internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA).
Denn dort unten, in mehreren tausend Metern Tiefe, liegen wertvolle Rohstoffe — etwa die Manganknollen. Sie enthalten Metalle wie Kupfer, Kobalt und Nickel, die zum Beispiel für die Herstellung von Batterien benötigt werden. Kein Wunder also, dass das Interesse am Tiefseebergbau wächst. Gleichzeitig birgt der Tiefseebergbau aber auch Risiken für die Umwelt und auch die Frage der Wirtschaftlichkeit wird diskutiert. Noch verhindert das Seerecht, dass Staaten oder Unternehmen einfach mit dem Abbau von Manganknollen loslegen dürfen.
Am Umgang mit den Manganknollen zeigt sich, wie eng Rohstoffpolitik, Umweltfragen und internationales Recht sowie deren Geschichte miteinander verknüpft sind. Die Debatte zeigt die Konflikte auf, die entstehen, während um die Zukunft der globalen Meeresordnung gerungen wird. Es geht nicht nur um die Frage, ob diese Rohstoffe abgebaut werden sollten, sondern vor allem darum, welche Vision des Ozeans sich dabei durchsetzt:
Should we think about this in terms of growth and profit or in some other register that is more about solidarity and distributive justice?
Surabhi Ranganathan, Professorin für Internationales Recht an der University of Cambridge
In der Entstehung und in laufenden Diskussionen rund um das internationale Seerecht prallen verschiedene Vorstellungen über die Nutzung und das Wesen der Ozeane und Meere aufeinander. Bis heute wird dabei nicht allen Stimmen Gehör geschenkt.
These questions are also about whose ideas, perceptions and interests are actually represented in the law and what can we do to bring in other ideas, perceptions and interests that were erased in the process of making this law.
Surabhi Ranganathan, Professorin für Internationales Recht an der University of Cambridge
Insbesondere die Standpunkte von Gemeinschaften und Staaten aus dem Globalen Süden werden oft vernachlässigt. Dabei könnten gerade sie neue Perspektiven eröffnen. Diese Visionen herauszuarbeiten, ist Teil des Forschungsvorhabens von Prof. Surabhi Ranganathan. Sie untersucht das internationale Seerecht im globalen Kontext sowie vor dem Hintergrund der Dekolonisierung. Dies kann ein Neudenken und eine Neubewertung des Seerechts ermöglichen. Dabei soll sichtbar werden, dass Recht nicht nur Regeln setzt, sondern auch Realitäten konstruiert: Es entscheidet, was wir als legitim und vorstellbar ansehen — und damit, wie wir das Meer nutzen und wahrnehmen.
Die Juristin, die derzeit an der University of Cambridge forscht, hat kürzlich den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Max-Planck-Humboldt-Forschungspreis 2025 erhalten und wird das Preisgeld in ein neues Forschungsprojekt investieren: „Ways of Worldmaking: The Global South and the (Re)Imagination of Global Ocean Governance“. Das interdisziplinäre Projekt soll mit der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg umgesetzt werden. detektor.fm-Redakteurin Charlotte Detig hat sich mit Surabhi Ranganathan darüber unterhalten und berichtet im „Forschungsquartett“ davon.