Manganknollen. Vielleicht habt ihr davon in letzter Zeit schon mal was gehört. Das sind so dunkle, ja, knollige Gebilde, die in tausenden Metern Tiefe am Meeresboden liegen. Das Besondere, und in dem Zusammenhang habt ihr davon vielleicht gehört: Diese Knollen enthalten eben nicht nur das Schwermetall Mangan, wie der Name schon sagt, sondern auch Kupfer, Nickel und Kobalt. Also wertvolle Rohstoffe, die man zum Beispiel für die Herstellung von Batterien benötigt. Deshalb sind natürlich viele scharf auf die Manganknollen in der Tiefsee. Aber einfach mal runtertauchen und die Knollen einsammeln, das geht nicht. Denn viele Stellen an denen sie vorkommen, liegen in internationalen Gewässern. Und noch verhindert internationales Seerecht, dass Unternehmen oder Staaten da einfach anfangen können, die Knollen abzubauen und damit auch massiv in das Ökosystem der Tiefsee einzugreifen. Aber wer bestimmt eigentlich über das Seerecht? Und welche Stimmen wurden bisher überhört? Darum geht es in dieser Folge vom Forschungsquartett. Mein Name ist Caroline Breitschädel. Schön, dass ihr zuhört. Seit langem wird verstärkt über die rechtlichen Voraussetzungen für den Tiefseebergbau diskutiert. Die internationale Meeresbodenbehörde, ISA, soll ein Regelwerk für den Rohstoffabbau in der Tiefsee entwickeln. Aber warum dauert das so lange? Liegt vielleicht daran, dass da verschiedene Interessen aufeinanderprallen? Die ISA ist mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen entstanden, und die Mitgliedsstaaten haben unterschiedliche Vorstellungen. Die einen wollen am liebsten direkt anfangen mit dem Abbau. Andere verweisen auf die Gefahren und warnen davor, dass es noch gar nicht ausreichend Forschung zum Tiefseebergbau gibt, gerade was die Schäden für das Ökosystem angeht. Mit diesen politischen Herausforderungen des internationalen Seerechts beschäftigt sich Professor Surabhi Ranganathan. Sie ist Professorin für internationales Recht an der Universität Cambridge. Die Juristin forscht schon lange zu internationalem Seerecht, dessen Geschichte und auch dazu, wie das Recht unsere Visionen und Vorstellungen vom Ozean formt. Und sie hat kürzlich den mit 1,5 Millionen Euro dotierten Max Planck Humboldt Forschungspreis 2025 erhalten und möchte das Preisgeld nun in ein neues Forschungsprojekt investieren: „Ways of Worldmaking – The Global South and the Reimagination of Global Ocean Governance“. Auf Deutsch: „Wege der Weltgestaltung: Der globale Süden und die Neuausrichtung globaler Meerespolitik“. Das Projekt soll zusammen mit der Humboldt-Universität zu Berlin und dem Max-Planck-Institut für Ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg umgesetzt werden. Und Ziel ist es, das Seerecht in einem globalen Kontext zu beleuchten und auch neu zu bewerten, insbesondere aus der Perspektive des globalen Südens und vor dem Hintergrund der Dekolonialisierung. Meine Kollegin Charlotte Dettig hat mit Professorin Ranganathan gesprochen. Hallo Charlotte. Hallo Caro. Der Ozean, internationales Seerecht, globale Meerespolitik – das klingt ja nach einem sehr großen Themenfeld. Ja, das ist auch echt so. Und in diesem Fall nochmal umso mehr, weil Professorin Surabhi Ranganathan einen interdisziplinären Ansatz hat. Also das heißt, sie schaut nicht nur die Gesetze an, sondern auch, welche Auswirkungen sie haben, welche Geschichten dahinterstecken, welche Ideen und Visionen vom und über das Meer übersehen wurden. Und wie das alles eben beeinflusst, wie wir zum Beispiel die Ozeane heute wahrnehmen. Und das ist es, auch so hat sie erzählt, was sie so begeistert an dem Thema. Also zum einen diese juristische Seite, aber dass es auch den Bereich gibt, der eher mit Vorstellungen und Vorstellungskraft zu tun hat. Denn sie sagt, wir würden das Meer zwar vom Strand und aus ein paar Dokus kennen, aber das meiste würde für uns unerreichbar bleiben. Und da jetzt zu gucken, wie haben Menschen sich das Meer früher vorgestellt und wie wurden auf dieser Basis dann die Gesetze entwickelt. Also so ein bisschen eine Kombination von Fiktion und Recht, das sagt sie, fasziniert sie. Das klingt echt, als hätte sie einen ganz eigenen Blick auf die Ozeane und Meere, fast so ein bisschen philosophisch. Also ich finde es einen sehr spannenden Ansatz. Ja, und was ich sagen muss, was mich fasziniert hat: Sie hat erzählt, dass obwohl es immer mehr Meeresforschung gibt, es wohl derzeit so ist, dass man mehr über den Weltraum weiß, also zum Beispiel mehr über die Oberfläche des Mondes als über den Meeresgrund. Ja, das ist echt richtig krass. Das habe ich auch erst vor kurzem gelernt. Und zwar in der ersten Folge von „Die großen Fragen der Wissenschaft“. Also kleiner Querverweis an der Stelle, das ist nämlich ein neuer Podcast von detektor.fm und Spektrum der Wissenschaft. Und in der ersten Folge geht es eben um die Geheimnisse der Tiefsee und auch um die Auswirkungen von Tiefseebergbau auf den Ozeanen und um die Bedeutung der Meere fürs Leben und Klima auf der Erde. Die Folge verlinken wir auch nochmal in den Shownotes. Okay, aber zurück zu Professorin Ranganathans Forschung. Also das internationale Seerecht hattest du erwähnt, das schwebt ja sozusagen über allem. Lass uns vielleicht trotzdem erstmal erklären, was ist denn das internationale Seerecht überhaupt und wie ist das entstanden? Ja, danach habe ich sie auch direkt als erstes gefragt, auch wenn die Frage nach der Entstehung des Seerechts uns jetzt eigentlich durchgehend begleiten wird. Denn das ist, wie du schon sagst, Teil ihrer Forschung. Für die meisten Menschen in meiner Disziplin, die internationale Law, erkennen wir natürlich, dass es eine sehr lange Tradition der Law der See gibt, die Jahrzehnte oder sogar Jahrzehnte zurückgeht. Aber wir beobachten immer die Freizeit ein Essay, das von Hugo Grotius als grundlegendes Text der Disziplin publiziert wurde. Also erstmal hat sie betont, dass das Seerecht eine sehr lange Tradition hat, die Jahrhunderte und Jahrtausende in die Vergangenheit zurückreicht. Sie hat aber eine Sache genannt, die von vielen als Referenzpunkt genannt wird. Das ist ein Essay bzw. die Schrift „Mare Liberum“, also freies Meer, geschrieben von Hugo Grotius, veröffentlicht 1609. Freies Meer, das hat auch was Philosophisches, also schon fast was Poetisches eigentlich. Ja, das stimmt. Es ist die Schrift eines Philosophen und Juristen über das Meer als internationales Territorium. Und Grotius argumentiert darin, dass das Meer frei und unteilbar sei und niemandem gehören könne. Also man könnte jetzt nicht einfach so Grenzen ziehen. Aber natürlich haben das andere zu der Zeit auch ganz anders gesehen und waren zum Beispiel der Meinung, dass gerade Küstenmeere sehr wohl von Staaten kontrolliert oder beansprucht werden könnten und eventuell sogar auch müssten, um zum Beispiel Problemen wie Überfischung entgegenzuwirken. Und das sind alles Fragen, sagt Surabhi Ranganathan, die auch heute noch gestellt werden und das moderne Seerecht prägen. Also kann man das Meer aufteilen? Kann man Ozeane besitzen? Und wer darf am Ende darüber bestimmen? Und dieser Art von Debatte hat in meiner Disziplin für eine sehr lange Zeit verbleibt. Also in den letzten 400 Jahren gab es Diskussionen, was die operative Lage des Sees ist. Ist es möglich, das Meer in irgendeiner Art und Weise zu reduzieren? Die Staaten zu bestimmen? Ist es möglich, das Meer zu teilen? Ist es möglich, das Meer durch menschliche Aktivität zu beeinflussen? Ist das Meer in der Art und Weise wie Land beobachtbar und besitzbar? All diese Dinge. Und diese Fragen prägen eben auch, das hast du gerade schon angesprochen, das internationale Seerecht, das ein Teilgebiet des Völkerrechts ist. Ja, und da ist die wichtigste Grundlage das UN-Seerechtsübereinkommen. Das wird oft auch Verfassung der Meere genannt. Das Abkommen wurde 1982 nach langen Verhandlungen beschlossen und trat dann 1994 in Kraft. Und damit werden zum Beispiel Hoheitsgewässer und Wirtschaftszonen geregelt, aber eben auch, wie man die Gebiete nutzt, die außerhalb von Hoheitsgewässern einzelner Staaten liegen, also die hohe See. Die dürfen nämlich, vereinfacht gesagt, alle nutzen. Da gilt das Prinzip der Freiheit auf hoher See. Und wie ist das mit dem Meeresboden geregelt? Der internationale Meeresboden gilt als gemeinsames Erbe der Menschheit. Hier findet sich auch so diese Idee von Grotius wieder. Und da kümmert sich die International Seabed Authority, ISA, also die internationale Meeresbodenbehörde, um die Verwaltung. Diese Behörde ist im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens ins Leben gerufen worden und soll den Umgang mit den Ressourcen auf dem internationalen Meeresboden regeln. Die kann zum Beispiel Lizenzen vergeben für Forschung auf dem Meeresgrund und soll dabei aber auch zum Beispiel auf den Umweltschutz achten. Okay, das heißt, durch das UN-Seerechtsübereinkommen und Behörden wie der ISA ist der Umgang und die Nutzung der Meere dann festgelegt. Ganz genau. Und Professorin Ranganathan untersucht eben, wie dieses Recht entstanden ist und vor allem auch, wie die Gesetze selbst unseren Blick auf den Ozean und die Meere formen. Also unsere Denkweise darüber, was der Ozean überhaupt ist und wofür er da ist. Und das alles unter der Prämisse, dass Recht Weltbilder erzeugt. Ich denke, ich versuche den Fall zu machen, dass die Regeln des Ozeans nicht nur den Ozean repräsentieren, sondern es auch darin vermittelt, wie der Ozean danach akzeptiert, genutzt und auch vorgestellt wird. Und es bildet die Möglichkeiten für die Zukunft. Sie hat das auch noch weiter erklärt mit einem Beispiel. Das Gesetz bestimmt ja, wie das Meer bzw. der Ozean aufgeteilt ist. Und damit ist ja eigentlich schon entschieden, dass man das Meer in Zonen aufteilen kann. Und dadurch stellen wir es uns auch als etwas vor, das man einteilen kann. Und sie argumentiert jetzt eben, dass wir diese Unterteilungen einfach als gegeben annehmen und als würden die was über das Meer aussagen. Aber sie findet, man sollte anerkennen, dass diese Annahmen alle konstruiert sind. Wir nehmen die Kategorien, die Unterteilungen, die Klassifikationen selbst als gegeben und als axiomatisch, als etwas, das über die essentielle Natur des Meeres geht, anstatt anzunehmen, dass sie in der Tat komplett konstruiert sind. Sie sind sozial konstruiert, sie sind politisch konstruiert, sie werden reif und naturalisiert. Ein Beispiel, bei dem aktuell gerade noch nicht ganz klar ist, wie eine gerechte Aufteilung am Ende aussehen kann, sind ja die Manganknollenvorkommen in der Tiefsee, die ich ja auch am Anfang schon kurz erwähnt habe. Ja. Ich habe Surabhi Ranganathan auch nach diesem Beispiel gefragt, weil das im Zusammenhang mit dem Tiefseebergbau auch immer wieder Thema in den Medien ist. Und sie hat gesagt, dass diese Knollen erstmal sowieso ein gutes Beispiel für diese verschiedenen Blickwinkel auf den Ozean sind. Und sie würden zeigen, wie eng Rohstoffpolitik, globale Gerechtigkeit und das Völkerrecht des Meeres miteinander verflochten seien. Und die Manganknollen auch eine der Grundfragen aufmachen, nämlich: Soll die Nutzung der Ressourcen auf Profit beruhen oder eher zum Beispiel auf Solidarität und ökologischer Verantwortung? Ja, wichtige Frage. Ja, das Lustige ist, hat Professorin Ranganathan mir erzählt, dass man diese Knollen schon im 19. Jahrhundert gefunden hatte, aber ihre Bedeutung als potenzieller Rohstofflieferant noch gar nicht richtig erkannt hat. Die Manganknollen wurden damals als dreckige Kartoffeln beschrieben und abgetan. Ja. Ein bisschen sehen die auch so aus. Also ich musste an so einen Knollensellerie denken, aber ich habe auch schon einen Vergleich mit Blumenkohl gelesen. Ja, es sind eben so knollige, dunkle Gebilde. Naja, die wurden jedenfalls dann in den 1960er Jahren wiederentdeckt und vor allem ihr wirtschaftliches Potenzial als Rohstoffquelle für Metalle wie Mangan, Kupfer, Kobalt und Eisen. Das sind alles Rohstoffe, die für Industrie und Rüstungsproduktion, Stichwort Kalter Krieg, zentral waren. Aber vor allem hat sie herausgestellt, es war auch die Zeit der Dekolonialisierung. Ehemalige Kolonien haben versucht und angefangen, ihre Bodenschätze selbst zu kontrollieren oder zu verstaatlichen. Und deshalb haben dann westliche Staaten bzw. die Kolonialmächte in den Manganknollen ihre Chance auf eine neue Quelle für Rohstoffe gewittert. Die Erfindung, dass diese Nodulen so mineralreich waren, hat zu der natürlichen Frage geführt, wie wir sie aus dem Ozean wiederholen können, anstatt sie aus verschiedenen Landdepositen zu bekommen. Würde das die geopolitischen Fragen und die Zulassungssicherheit des Westens beantworten? Andererseits gab es für die neuerindependenten Drittweltstaaten eine andere Art von Möglichkeit. Okay, das heißt, vor allem westliche Staaten haben darin eine neue Rohstoffquelle gesehen. Aber Surabhi Ranganathan sagt ja, hier auch, dass die neuen unabhängigen Staaten unter anderem durch diese Manganknollen eine ganz andere Chance sahen. Ja, deswegen dienen sie aus ihrer Sicht auch als so gutes Beispiel, weil man da sieht, es gibt unterschiedliche Vorstellungen. Und viele Länder des globalen Südens haben nämlich auf Basis dieser Tiefseeressourcen die Chance gesehen, ein nicht koloniales, sondern ein solidarisches Modell der Rohstoffgewinnung zu entwickeln. Also sozusagen einen kollektiven Tiefseebergbau, der dann vor allem auf eine gerechte Entwicklung und auch Wiedergutmachung kolonialer Ungerechtigkeiten ausgerichtet wäre. Also sie sagten, können wir auf diesen Nodulen ein neues Modell der Rohstoffentwicklung bauen, das nicht kolonialistisch ist, also nicht um westliche Kooperationen und westliche Mächte geht, die natürliche Ressourcen aus dem Rest der Welt holen, sondern können wir eigentlich etwas bauen, das ein mehr kollektivistisches Modell des Tiefseebergbaus ist, das nicht für den Profit, nicht auf einer konkurrenzvollen Basis wäre, sondern mit der Idee, dass wir Revenuen produzieren, die wirklich für die dritte Welt Entwicklungskapital bieten könnten und eigentlich einige der historischen Fehler des Kolonialismus reparieren könnten. Also war es diese Idee, dass wir vielleicht versuchen könnten, ein anderes Kind von Zukunft zu vorstellen, wie wir über Dinge wie Entwicklung, Industrie, Fortschritt denken, die uns von Profit und Solidarität entfernen. Dieser Gedanke oder die Vision war auch Teil der Verhandlungen rund um dieses UN-Seerechtsübereinkommen, von dem wir eben schon gesprochen haben. Die Idee dieses kollektiven Bergbausystems ist auch in einem richtigen Vorschlag, in einem richtigen Modell festgeschrieben worden, genannt „Enterprise“. Ist das Zufall, dass der Name derselbe ist wie der Name vom berühmten Raumschiff Enterprise aus Star Trek? Nee, ist tatsächlich kein Zufall. Ich konnte mich auch nur noch so ein bisschen erinnern, aber Surabhi Ranganathan hat mir zum Glück auch nochmal auf die Sprünge geholfen. In der Serie ist das Forschungsschiff im Auftrag der Menschheit unterwegs und sollte unter anderem diplomatische Beziehungen pflegen und Forschung betreiben. Und mit herein spielt er laut ihr auch die Vorstellung von Menschen aus allen Teilen der Welt, die zusammenleben, quasi die Enterprise als eine Art Mikrokosmos. Okay, das klingt ja zumindest aus heutiger Perspektive schon auch etwas utopisch, würde ich sagen. Aber dieser Grundgedanke wurde dann auf den Tiefseebergbau übertragen. Wie kann man sich das denn vorstellen? Inspiriert von diesem Gedanken haben Länder des globalen Südens, wie ich gerade schon erwähnt habe, eine Art kollektives Bergbauunternehmen vorgeschlagen, das dann die Rohstoffe des Meeresbodens fördern soll, aber eben zum Wohle aller und nicht im Interesse einzelner Staaten oder Konzerne. Und Professorin Ranganathan sagt, dass utopische Bestrebungen wie dieses hier als Gesetzesvorschläge auch ernst genommen wurden und die Idee jahrelang diskutiert worden ist und in veränderter Form auch bis heute noch existiert. Und solche alternativen Visionen würden Spuren hinterlassen, die für die Zukunft weiterhin relevant seien. Das heißt, in diesen Seerechtsverhandlungen wurden verschiedene Ansätze und eben auch dieser diskutiert. Ja, die Verhandlungen gingen, wie eben schon erwähnt, extrem lange. Professorin Ranganathan sagt, am Ende könne man die Schaffung des Seerechts als Prozess von 25 Jahren, also von 1967 bis 1994, begreifen, aus dem dann letztlich das heutige UN-Seerechtsübereinkommen hervorgegangen ist. Aber gerade beim Tiefseebergbau sei eben derzeit noch Raum und Zeit, darüber nachzudenken, was der beste Weg sein könnte, weil der Tiefseebergbau technisch noch nicht kommerziell umgesetzt wird. Und da sagt sie, gibt es unter anderem jetzt auch neue Fragen nach Gerechtigkeit, die aufkommen, zum Beispiel durch den Klimawandel oder Klimareparationen. Und es gehe gar nicht unbedingt nur um die Frage, ob man Manganknollen jetzt abbauen sollte oder nicht, sondern welcher Ansatz dabei verfolgt werden soll. Und insbesondere auch um die Frage, welche Visionen gehört wurden und werden und welche nicht. Es gibt jetzt wieder einmal Geschichten, was die Gerechtigkeit heute bedeutet, mit dem Klimawandel, mit diesen Sorgen über Klimareparationen, über Fragen der historischen Ungerechtigkeiten und wie wir darauf antworten können. Also gibt es allmähliche Nodulen, die im Moment noch da sind, in der Tatsache, dass das Tiefseebergbau immer auf dem Horizont war. Es gab viele Entwicklungen in Richtung des Nodules. Es wurde noch nicht in einem kommerziellen Sinne abgenommen, also gibt es immer noch Raum, um nachzudenken, was das beste Modell ist, was der beste Weg ist, um die Frage zu beantworten. Und die größeren Fragen, an die wir nachdenken, ob wir abwenden sollen oder nicht, die größeren Fragen, welche Antworten wir auf die Fragen über Abwenden nehmen sollen, ob wir darüber nachdenken in Bezug auf Wachstum und Profit oder in irgendeinem anderen Register, das mehr um Solidarität und distributive Gerechtigkeit handelt, bleiben auch da. Und diesen Fragen will sie sich dann auch in ihrem neuen Forschungsprojekt widmen. Also das neue Projekt beruht auch auf ihrer bisherigen Forschung und setzt aber nochmal einen stärkeren Fokus auf den globalen Süden. Und sie will ihre bisherige Forschung eben weiter ausbauen und auch kreative Formen der Wissenschaftskommunikation entwickeln, hat sie erzählt. Inhaltlich geht es darum, verschiedene Zukunfte des Ozeans zu thematisieren. Und in dem Zusammenhang ist sie im Gespräch auch auf den „Blue Turn“ zu sprechen gekommen. Blue Turn, weil Hinwendung zum blauen Ozean. Ja, genau. Im Zuge der Klimakrise erlebe die Welt derzeit nämlich so einen sogenannten Blue Turn. Das heißt, die Staaten nehmen die Ozeane und Meere in den Blick und zwar, wie eben erläutert, eben was diese Rohstoffe angeht, aber auch Energie, Nahrung und so weiter. Und in diesem Prozess werde der Ozean dann von den Staaten vor allem als Ressource begriffen und die präsentieren dann ihre blauen Wirtschaftspläne. Und da sagt sie, kann man natürlich überprüfen, inwiefern diese Pläne mit dem internationalen Seerecht überhaupt vereinbar wären. Aber sie möchte mit ihrer Forschung vor allem diesen eher nationalen Visionen etwas entgegenstellen, nämlich alternative Vorstellungen, die vor allem von indigenen, lokalen und zivilgesellschaftlichen Gruppen ausgehen. Und diese Gruppen vertreten andere Wissensformen und Beziehungen zum Meer und sehen es zum Beispiel nicht nur als Rohstoffquelle, sondern auch als Lebensraum oder kulturelles Ganzes. Es geht also nicht unbedingt darum, zu gucken, was nationale und staatliche Perspektiven sind, sondern wie der Blick von Menschen, Kollektiven, politischen und gesellschaftlichen Bewegungen ist. Zusammengefasst beschreibt sie es so: Es geht im Projekt also darum, das politische oder juristische Denken als Intellectual History, also Geistesgeschichte, zu untersuchen, sagt sie. Also um den Versuch, die Natur des Meeres und die Zukunft des Meeres in rechtswissenschaftliche Begriffe zu übersetzen, sozusagen. Ja, so alternative Sichtweisen auf das Meer sollen neue rechtliche und politische Konzepte des Meeres hervorbringen. Das Ziel ist dann, diese verschiedenen Denkweisen zu analysieren und zu zeigen, wie sie die Zukunft der globalen Meeresordnung und das See recht verändern könnten. Und da geht es ihr eben unter anderem um solche, wie sie nennt, Worldmaking Proposals, also Vorschläge zur Weltgestaltung, würde ich jetzt mal übersetzen, wie zum Beispiel die Idee der Enterprise. Weil dort intellektuelles Denken darüber, wie die Natur und die Zukunft aussehen sollten, verbunden wird mit politischem Handeln und der Frage, wie das Realität werden könnte. Und diese Form der Weltgestaltung durch das Seerecht will sie mit dem Projekt sichtbar machen. Also es geht nicht nur um das Denken über die Natur und die Zukunft und so weiter, sondern auch um praktische politische Aktionen. Was können wir tun, um unsere Vision zu realisieren, um unsere Intelligenz in Form eines Programms zu realisieren? Und das ist es, was ich auch hoffe, das Projekt wird studieren, wird erleben und auch kompilieren und zu den Vier bringen. Also es geht nicht nur um die Geschichte, aber auch darum, wie diese historischen Beispiele die aktuellen Anstrengungen für die Weltgestaltung weitergeben. Sie sagt ja hier, sie guckt auf historische Beispiele, aber eben auch darauf, wie die unsere heutigen Bestrebungen beeinflussen, während die Meerespolitik ja immer weiter ausgestaltet wird. Und aktuell wird ja zum Beispiel bei den Manganknollen darum gerungen, wie die Politik da aussehen wird. Ja, deshalb habe ich sie zum Abschluss unseres Gesprächs auch nach aktuellen Herausforderungen in Bezug auf das Seerecht gefragt. Sie meinte, Überraschungen, es gibt sehr viele. Eine ist, ob das jetzt jahrzehntealte UN-Seerechtsübereinkommen immer noch mit den aktuellen Krisen zusammenpasst und dabei auch noch zweckmäßig ist. Also Stichwort Klimawandel, steigender Meeresspiegel, Meeresverschmutzung und so weiter. Und sie sagt, natürlich würde es Bestrebungen geben, das Seerecht weiterzuentwickeln, und das werde schon auch gemacht. Das seien aber alles Bemühungen, die quasi innerhalb des Seerechts gemacht werden. Sie stellt also die Frage: Was wäre, wenn wir das Seerecht nicht nur als Instrument zur Lösung der Probleme der Ozeane verstehen, sondern auch als Teil des Problems selbst? Und das hängt eben mit dieser eben schon erwähnten konstituierenden Form des Rechts zusammen. Und zwar, weil eben durch das Recht der Ozean zum Beispiel aufgeteilt und miteinander verbundene Ökosysteme in Standorte für zum Beispiel Rohstoffgewinnung umgewandelt wurden. Und deshalb, so sagt sie, stelle sie sich auch die Frage, was man tun könnte, um auch ein bisschen gegen das Gesetz zu arbeiten, beziehungsweise es umzugestalten, um über eine nachhaltigere Zukunft nachzudenken. Und am Ende spielt da natürlich auch wieder eine sehr große Rolle, welche Ideen gehört und welche Interessen repräsentiert werden. Also wenn ich versuche, es zusammenzufassen, würde ich sagen, es geht um die Frage, wie man das Seerecht so verändern kann, dass es nicht nur Probleme verwaltet, sondern zu einer wirklich nachhaltigen Zukunft der Ozeane beitragen kann. Und dazu zählt eben auch, verstärkt marginalisierte Stimmen zu hören. Ja, da war jetzt auf jeden Fall sehr viel Stoff zum Nachdenken dabei. Und vor allem habe ich jetzt ein etwas besseres, breiteres Bild davon, wenn man in den Medien von den Versammlungen der internationalen Meeresbodenbehörde liest oder hört oder von den Vorstößen, was den Abbau zum Beispiel von Manganknollen angeht. Also vielen Dank dir, Charlotte. Ja, sehr gerne. Und noch ganz kurz: Wer sich dem Thema nochmal anders nähern möchte, am Ende unseres Gesprächs hat mir Surabhi Ranganathan noch eine Buchempfehlung gegeben: „Der Schwarm“. Das ist 2004 schon erschienen von Frank Schätzing. Vielleicht kennt der ein oder die andere das auch. Das ist ein Science-Fiction-Roman, in dem quasi das Meer reagiert auf die Ausbeutung der Menschen und wenn man so will, dann zurückschlägt. Also es gibt zum Beispiel Orcas, die ein Schiff angreifen. Und das ist inzwischen ja sogar tatsächlich passiert. Und sie sagt, natürlich ist das Buch nur fiktiv, aber es kann trotzdem zum Nachdenken darüber anregen, wie wir das Meer verstehen und was wir einfach alles noch nicht wissen. Ich habe es tatsächlich selber nie gelesen, aber es ist nochmal ein spannender Hinweis. Vielen Dank. Und danke natürlich auch Surabhi Ranganathan für das Gespräch und den Lesetipp. Ja, welche Visionen vom Ozean gibt es? Wie kann nachhaltiges Seerecht aussehen und welche Stimmen werden überhört? Um das und um vieles mehr geht es in dem interdisziplinären Forschungsvorhaben der Juristin Professorin Surabhi Ranganathan. Schon jahrelang beschäftigt sie sich mit internationalem Seerecht und startet das neue Forschungsprojekt „Ways of Worldmaking – The Global South and the Reimagination of Global Ocean Governance“. Meine Kollegin Charlotte Dettig hat mit ihr darüber gesprochen. Und das war’s mit dieser Folge vom Forschungsquartett. Recherche, Interview und Skript kommen von Charlotte Dettig und die Redaktion für diese Folge hatten ebenfalls Charlotte Dettig und ich. Wenn euch gefallen hat, was ihr gerade gehört habt und in Zukunft nichts verpassen wollt, dann folgt dem Forschungsquartett doch gerne in eurer Podcast-App des Vertrauens. Lasst außerdem gerne eine Bewertung da oder vielleicht sogar einen Themenvorschlag. Mein Name ist Caroline Breitschädel. Ich bin die Redakteurin. Danke fürs Zuhören und ich freue mich, wenn ihr nächste Woche wieder mit dabei seid. Das Forschungsquartett – Wissenschaft bei detektor.fm. In Kooperation mit der Max-Planck-Gesellschaft.