Islamische Vorschriften zeigen sich in der Türkei im täglichen Leben in symbolischen Dingen wie zum Beispiel dem Werbeverbot für Alkohol. Religiöse Regeln dringen jetzt in der Türkei weiter hinein ins Private: Denn eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, dass Richtlinien für „richtiges“ islamisches Verhalten geben soll, sorgt aktuell für große Diskussionen.
Züchtigkeit gefordert
Das oberste türkische Amt für religiöse Angelegenheiten „Diyanet“ fordert nämlich Verlobte dazu auf, sich in der Öffentlichkeit züchtig und sittsam zu verhalten. Demnach sollen Verlobte weder Händchenhalten, flirten oder „anderes Benehmen“ an den Tag legen, das nicht vom Islam gebilligt wird. Auch Treffen ohne Aufsicht sind demnach zu unterlassen. Zwar sind Fatwas lediglich religiöse Empfehlungen und kein geltendes Recht. Dennoch nimmt das Amt für religiöse Angelegenheiten damit Einfluss auf den öffentlichen Diskurs.
Türkei: Religionsamt erlässt Fatwa gegen Händchenhalten https://t.co/FzR3HiizMo pic.twitter.com/smePVEFRtv
— DIE WELT (@welt) 4. Januar 2016
Ein Kulturkampf tobt
Tatsächlich scheiden sich in der Türkei die Geister, wenn es um das Liebesleben geht. Besonders in den ländlichen Teilen der Türkei finden die strengen Ansichten der staatlichen Religionsbehörde bei den Menschen Rückhalt und Unterstützung. In den Großstädten allerdings, wo vor allem junge Türken ein freies, selbstbestimmtes Leben führen wollen, frei von religiösen Vorschriften – sei es als Unverheiratete, Unverlobte oder als gleichgeschlechtliche Paare – birgt die neue Fatwa jede Menge Zündstoff.
Es ist keineswegs eindeutig, dass in der Türkei der Prozess zur radikalen Islamisierung unausweichlich voranschreitet. – Felix Schmidt von der Friedrich Ebert Stiftung.
Wie ernst die neue Fatwa zu nehmen ist und welche Auswirkungen sie in der Türkei hat, darüber hat detektor.fm-Moderator Alexander Hertel mit Felix Schmidt von der Friedrich Ebert-Stiftung in der Türkei gesprochen.
Redaktion: Carsten Jänicke