Vor Weihnachten oder vor Geburtstagen, da wird’s regelmäßig eng und knapp für manche, mit dem Finden guter Geschenke. Einer der Klassiker dabei: ein Parfum. Also schnell rein in die Drogerie und irgendwas nehmen, was nett aussieht? Eigentlich schade.
Denn neben der Tatsache, dass ein gutes Parfum ja nicht so ganz billig ist, ist es ja auch irgendwie charakterlos, so austauschbar zu sein. Zwei Hamburger dachten sich: das ist nicht nur schade. Das ist auch langweilig. Mit einem Duft kann man viel mehr machen: eine Haltung ausdrücken, sich besonders machen.
Also nannten sie sich „Atelier PMP“ und begannen, an ihren eigenen Düften zu arbeiten. Herausgekommen sind Düfte, die an Lagerfeuer erinnern sollen – oder die man wie ein Graffiti an sich selbst aufträgt. Wie das geht? Marcus Engert ist nach Hamburg gefahren und hat „Atelier PMP“ besucht.
AtelierPMP gehört zu den Kultur- und Kreativpiloten der Bundesregierung. Bis zum 30. Juni können sich dort Unternehmer aus der Kultur- und Kreativwirtschaft bewerben.
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Ich sitze in Hamburg und werde beschnuppert – und erfahre ganz nebenbei: ich habe wohl eine ziemlich gute Haut für Parfums. Wer da mit ihren Nasen an meinem Armen herumfährt? Das sind Stefanie Mayr und Daniel Plettenberg. Die beiden sind zusammen Atelier PMP.
„Eigentlich sind wir was, was es so nicht gibt: wir haben uns selbst erfunden als kleine Firma, die Nischenparfum-Konzepte erdenkt, und sich dann Parfumeure aussucht, die das umsetzen mit uns. Und wir haben versucht, Marken oder Konzepte oder Ideen zu finden, die ganz anders sind, als was man normalerweise auf dem Parfummarkt findet.“
Parfums – das ist normalerweise irgendwas mit Blüten, oder Früchten, irgendwelche Promi-Namen – und oft genug auch ein Duft, nahe dran an Moschus-Ochse oder, wenns ganz schlimm kommt, an Klostein. AtelierPMP wollen etwas anderes. Etwas ganz anderes. Sie wollen eine Haltung ausdrücken. Der erste Duft, den die beiden machten, macht das schon im Namen deutlich. Er heißt „Dreckig bleiben“:
„Das Bild ist, dass Parfum immer vermittelt: Schönheit, Coolness, Sexiness. Da kommt der Typ, der bildschöne, ausm Wasser und ist irgendwie „wow“. Und uns ging es irgendwie darum, zu zeigen: Authentizität darzustellen. Was sind wir wirklich? Wo sind wir wirklich cool? Wo fühlen wir uns wirklich wohl? Und das ist eigentlich genau eine entgegengesetzte Situation.
Das ist das, wo ich mit engsten Freunden in der Labberjogginghose, barfuß mit fettigem Haar irgendwie aufm Bauwagenplatz sitze oder am Strand und gerade irgendwie eine Flasche Rotwein getrunken hab, und mich einfach wohlfühle in meiner Haut. Ohne was darzustellen. Und das ist eigentlich so die Form von Dreckig bleiben.“
„Stell dir dieses Bild vor: du sitzt am Lagerfeuer mit deinen besten Freunden. Und du bist total entspannt. Und es ist total egal, ob deine Jogginghose jetzt sauber ist, oder auch nicht. Dieses Runterkommen, das ist doch eigentlich der Luxus in dieser Welt.“
Auch beim zweiten Duft ist das mit dem Namens-Stolperer schon eingebaut: „Concrete Flower“ heißt der. Beton einerseits, Blumen andererseit – wie das?
„Und wir fragten uns: was bringt eigentlich dem Beton zum Blühen? Und Beton war dann ganz schnell klar, das sind: Stadtstrukturen, aber auch gesellschaftliche Strukturen. Und wie kommen die zum Blühen? Und da waren wir relativ schnell bei so Punkten: Engagement von Menschen. Aber dann auch im nächsten Schritt zu sagen: okay, all diese vielen Aktionen und Sachen, die das Grau der Wände irgendwie schöner machen. Da sind wir ganz schnell bei Graffiti oder bei Street-Art.
Bei all diesen Bewegungen, die eben non-konform sind. Die eben nicht irgendwie geregelt sind und institutionalisiert sind. Die bringen eben das Grau in unserer Welt zum Blühen. Und das war dann ganz schnell unser Punkt, wo wir sagten: und dazu müssen wir ein Parfüm machen. Aber wie is’n ditte? Wie muss das riechen? Und da hatten wir dann ganz schnell die Idee, zusammen mit unserem Parfumeur, zu sagen: das muss, wenn man das riecht, quasi in die Fresse funktionieren, und dann ganz toll und spannend sich auffächern. Wie halt auch Straeßenkunst, Streetart, Grafitti ist.“
Die Herausforderung bestand für die beiden Kreativ-Gründer einerseits darin, dem Parfumeur zu erklären, was man hier eigentlich ausdrücken will. Andererseits aber auch darin, das Ganze noch in eine andere Sprache zu übersetzen: die Optik des Flakons.
„Und dann sucht man irgendwie: wie kann man noch weiter diese Haltung unterstützen in Form einer Verpackung. Also jetzt bei „Dreckig bleiben“ ist es dann mit diesem rauchigen Holz. Wie versucht man das einfleßen zu lassen in den Flakon? Und dann fängt man an, sich zu überlegen: okay, es muss natürlich was holziges her. Man möchte aber nicht in den Baumarkt gehen und irgendwie ein Stück Eiche kaufen und irgendwie oben drauf schrauben. Und dann denkt man halt: gut, altes Fachwerk, das wäre eine Idee. Und dann sucht man Menschen, die alte Fachwerkhäuser renovieren, die alten Balken da rausholen – und recycled dann sozusagen aus diesen alten Balken den Deckel und versucht auch so, die Haltung zu transportieren.“
Und so sitzt heute auf dem Flakon tatsächlich ein rohes, kantiges, kubisches, raues und vor allem handgeschnitztes Stück dunkles, rauchiges Holz, das fast etwas an Holzkohle erinnert. Für „Concrete Flower“ wird’s nicht weniger kreativ: denn gesprüht wird hier gar nicht mehr. Diesen Duft malt man sich an die Haut:
„Da kamen wir relativ schnell auf die Idee: es wäre einfach geil, auch da Gewohntes zu durchbrechen – und kamen auf die Idee: Wie wäre es denn, wenn wir ein Parfum verpacken in einem Stift, den junge Menschen heutzutage nehmen, um Tags auf die Wände zu schmieren und zu schreiben. Und das ist ein Plastikstift, wo normalerweise Tinte drinnen ist. Der hat vorne so einen Filzkopf. Und damit werden normalerweise Wände verschönert, mit Tags.
Und wir waren dann bei der Idee: wir müssen mal gucken, ob man sowas auch mit Parfum füllen kann. Normalerweise: Parfum und Plastik geht gar nicht, darf man nicht. Wir probieren mal was passiert, machen Tests – das war relativ aufwendig, das rauszufinden, ob das funktioniert. Aber wir haben jetzt ein Parfum eben in diesem Stift, und man taggt sich jetzt selbst mit dem Parfum.“
Stefanie Mayr und Daniel Plettenberg haben viele Menschen überzeugt, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel: einen sehr renommierten Hersteller für Graffiti-Stifte. Sie haben mit Mark Buxton einen Star-Parfumeur dazu bekommen, sich an ihrer Idee auszutoben und die Düfte zu mischen. Und sie überzeugen auch Kunden, die 120 Euro für ihren Duft auszugeben.
Aber – und hier sind wir wieder beim ‚Haltung haben’ – nicht alle. Auf wessen Haut ihre Düfte nicht wirken, dem raten sie vom Kauf ab.
„Das wäre ja schrecklich. Das wäre ja auch für uns nicht schön, wenn Menschen rumlaufen, die dann einfach ein bisschen unangenehm riechen möglicherweise. Oder man möchte ja auch nicht Leuten was aufschwatzen und zuhause merken sie irgendwie: Oh Gott, das ist ja gar nicht meins.
Also es ist auch oft so, dass ich den Leuten sage: geh erstmal nach Hause und mach jetzt nicht so einen Schnellschuss. Und gerade bei Düften, weil die sich ja auch dann über die Basisnote hin noch nach Stunden irgendwie entwickeln. Und dann möchte ich natürlich nicht, dass die Leute so einen Schnellschuss machen, sondern die sollen gerne mal eine Nacht drüber schlafen oder zwei, und dann wiederkommen und merken: das ist wirklich das was ich tragen möchte.“
Stefanie Mayr und Daniel Plettenberg wollen nicht jedem gefallen. Und so ist das auch mit ihren Parfümen. Am dritten arbeiten sie bereits – und wer weiß: vielleicht sammeln sie dann ja noch mehr solcher Reaktionen:
„Meine Lieblings-Anekdote: Wir haben Verkäuferinnen in sehr althergebrachten Parfümerien, dann vertrauensvoll zu mir kommen und sagen: „Wir können ihren Duft leider… den kann ich nicht verkaufen, weil ich den Namen nicht aussprechen mag.“ Und das sind dann so Damen mit großen Seidenblusen und Schleifen und Perlenkettchen. Und das ist super. Und das ist großartig. Wenn man dann merkt: wow, wir haben was geschaffen, wo drüber Leute echt stolpern. In unserer kleinen Welt ist das doch schonmal eine ganze Menge, oder nicht?“