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Album der Woche: Ben Gibbard – Former Lives

Wenn Sänger ihrer Band den Rücken kehren und Soloplatten machen, dann oft deswegen, weil sie mal was Neues ausprobieren wollen. Bei Benjamin Gibbard, dem Sänger von Death Cab For Cutie, trifft das nur bedingt zu. Sein Solodebüt „Former Lives“ ist kein Neubeginn, sondern vielmehr der Abschluss alter Lebenskapitel.

Album der Woche: Ben Gibbard – Former Lives 06:13

Benjamin Gibbard ist ein alter Hase im Popgeschäft. Seit nun schon 15 Jahren tourt er mit seiner Band Death Cab For Cutie durch die Welt. Sieben Alben haben die amerikanischen Indie-Darlings rausgebracht. Da war es fast abzusehen: Früher oder später musste sie kommen – die erste Soloplatte des Frontmanns. Hat Ben Gibbard jetzt also die Nase voll von Death Cab For Cutie?

Nein, nein! Ich habe Death Cab For Cutie gegründet. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich Kreatives mit denen mache. Es war nur so, dass die Band nicht in der Situation war, dass sie eine Platte voller Songs aufnehmen wollte, die überhaupt nicht nach der Band klingt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Death Cab mit einer Mariachi-Band aufnehmen, aber ich kann mir vorstellen, dass ich selber mit einer Mariachi-Band aufnehme.

Und so klingt der Song Something’s Rattling beim ersten Hören fast wie ein Fremdkörper im Gibbardschen Sounduniversum.

Ich habe diesen Song über das Verschwinden in Los Angeles geschrieben. Und die Idee, eine Maricachi-Band zu haben, entstand gleichermaßen aus der Idee heraus, in einer anderen Band zu verschwinden.

Das Verschwinden in einer großen Stadt – im Fall von Gibbard ist das Los Angeles – die Stadt, die er einst in einem alten Song seiner Band verschmähte, um ein paar Jahre später aus seiner alten Heimat Seattle in die „Stadt der Engel“ zu ziehen.

Es ist eine sehr weitläufige Stadt. Da gibt’s so viele Orte, an denen man sich verstecken kann. Der Schriftsteller Stephen Elliott meinte mal: “Los Angeles ist ein fantastischer Ort zum Verschwinden. Es gibt da so viele Leute, die erkannt werden wollen. Alles was man machen muss, ist still zu stehen.

Von Stillstand kann in Ben Gibbards Leben dagegen keine Rede sein. Denn auf seinem Soloalbum verarbeitet er Erlebnisse aus acht Jahren, drei Beziehungen und zwei Wohnorten. Und obwohl die Songs auf „Former Lives“ eher ein Sammelsurium aus verschiedenen Lebensphasen sind, gibt es einen roten Faden, der sich durch Gibbards Songwriting zieht.

Ich vermute in den Songs geht es mal wieder darum, worum es in all meinen Songs geht: um Leute, die versuchen, sich zu binden und um die Frustration, die aufkommt, wenn das passiert oder eben nicht passiert.

Natürlich ist Gibbards Stil unverkennbar und manche Songs könnten genauso gut Death Cab-Songs sein. Doch auf Former Lives gibt es Ausnahmen, wie die Country-Rock-Ballade Broken Yolk In Western Sky. Es ist einer der Songs, den Gibbard bei den Aufnahme-Sessions des 2005er Album Plans schrieb, mit dem seine Band aber fremdelte. Auf seinem Solo-Album ist nun Platz für derlei Experimente, z.B. auch für eine mit dem Handy aufgenommene A-Capella-Nummer oder ein Duett mit Aimee Mann.

Allerdings wagt sich Gibbard dabei musikalisch nie an den Zeitgeist-Konsens. Eine Hipster-Electro-Platte würde man ihm ohnehin nicht abnehmen.

Ich habe kein besonderes Interesse daran, besonders aktuelle Musik zu machen. In jeder Generation von Independent-Künstlern scheint es ästhetische Richtlinien zu geben, die eine Platte in ihrer Zeit platzieren. Ich frage mich, ob wir uns in 20 Jahren, wenn wir auf 2008-2012 zurückblicken, vielleicht fragen werden: Warum haben die überall Hall draufgepackt? Warum gibt es 50 Gesangsspuren in jedem Song? Was ist mit der Snare-Drum passiert? Es gab nur noch diese “Four-On-The-Floor-Kick-Drum“. Ich mache lieber Musik, die sich ihrer eigenen Einflüsse sehr bewusst ist und die nicht aufgenommen ist, um genau wie diese Zeit zu klingen.

Hier und da merkt man den Songs auf Former Lives zwar an, warum sie es nicht auf Death Cab For Cutie-Alben geschafft haben. Doch es sind eben noch immer die Songs von Benjamin Gibbard, einem unglaublich talentierten Songwriter, dem auch nach 15 Jahren Bandleben zwischen Tourbus und Studio nie die Ideen auszugehen scheinen. Und ob mit Band oder ohne: Ben Gibbard ist als Geschichtenerzähler auch auf der Bühne unschlagbar, obgleich die Ein-Mann-Situation für ihn viel anstrengender ist.

Alleine zu spielen ist tatsächlich viel anstrengender. Komischerweise ist es körperlich viel auslaugender, als mit der Band zu spielen. Denn in einer Band teilt man das Erlebnis, Musik für Leute zu machen. Aber wenn man alleine auf der Bühne bist, kommt alles aus einem selber heraus. Und jeder im Publikum hängt einer Person an den Lippen. Es lohnt sich, das zu machen, aber es ist unglaublich auslaugend.

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