Frauentag in der Türkei
Immer wieder steht die Regierung von Präsident Erdogan in der Kritik – nicht nur in Fragen der Bürgerrechte oder der Meinungs- und Pressefreiheit, sondern auch bezüglich der Frauen-Politik. Offiziell sind Frauen in der Türkei gesellschaftlich gleichgestellt. Im Zuge von politischen Modernisierungen ab den 1920er Jahren ist zuerst das Wahlrecht und wenig später das verfassungsmäßige Bürgerrecht für Frauen eingeführt worden.
In der Praxis sieht das jedoch anders aus: Trotz neuer Gesetzgebung, wirtschaftlichem Aufschwung und der steigenden internationalen Bedeutung der Türkei zeigen Studien weiterhin eine extreme Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in der Region. Die Studie World Economic Forum’s Gender Gap Index von 2015 zum Beispiel hat die Geschlechter(un)gerechtigkeit in den Bereichen Beschäftigung, Bildung, Gesundheit sowie politischer Partizipation in 145 Ländern untersucht. Hier belegt die Türkei mit dem 130. Platz im Ländervergleich einen der hinteren Ränge. Deutschland liegt in dieser Studie übrigens auf dem 11. Platz.
Gewalt gegen Frauen unverändert hoch
Um auf diese gesellschaftspolitischen Missstände in der Türkei hinzuweisen, sind anlässlich des bevorstehenden Frauentags am Wochenende hunderte Frauen in Istanbul auf die Straße gegangen. Die Behörden hatten die Veranstaltung im Vorfeld allerdings „aus Sicherheitsgründen“ verboten. Folglich kamen die Demonstrierenden nicht sehr weit. Der Protest wurde mithilfe von Gummigeschossen und Tränengas gewaltsam von der Polizei aufgelöst.
Dieses harte Vorgehen der Behörden gerade am Frauentag verwundert. Denn genau heute vor vier Jahren wurde vom Parlament eigentlich ein Gesetz zum „Schutz der Familie und Prävention der Gewalt gegen Frauen“ mit dem Ziel verabschiedet, die Frauenrechte in der Türkei weiter zu stärken.
Grund also, einmal nachzufragen, wie es um die Frauenrechte in der Türkei wirklich steht und was am Wochenende geschehen ist. Dazu hat detektor.fm-Moderatorin Anke Werner mit Charlotte Binder und Aslı Polatdemir gesprochen. Beide arbeiten an der Universität Bremen und waren beteiligt an einem Forschungsprojekt über Frauenbewegungen in der Türkei.
Redaktion: Andrea Reichert