Serie zum islamistischen Terrorismus (2) | Taliban

Untrennbar mit Afghanistan verbunden

Die jüngere Geschichte Afghanistans ist immens von den Taliban geprägt. Welche Ursprünge hat die Gruppierung, von wem wird sie unterstützt und was will sie erreichen? Antworten in unserer Themenwoche zum islamistischen Terror.

Eine verbreitete sprachliche Ungenauigkeit

Selbst in großen Zeitungen wird häufig nicht deutlich gemacht, ob in einem Artikel von der Taliban-Gruppierung, die in Afghanistan agiert oder der pakistanischen Tehrik-i-Taliban die Rede ist. Dabei handle es sich um zwei voneinander unabhängige Gruppen, die sich in vielen Merkmalen unterscheiden, wie Boris Wilke erläutert:

Während die afghanischen Taliban von 1996-2001 große Teile Afghanistans beherrscht haben und heute noch viele ländliche Regionen kontrollieren, handelt es sich laut Wilke bei den pakistanischen Tehrik-i-Taliban um eine Terrororganisation, die mit Terroranschlägen das Land destabilisieren möchte – was bei der Atommacht Pakistan verheerende Folgen haben könnte.

Die afghanischen Taliban

In Afghanistan führen verschiedene Parteien seit über 30 Jahren einen Bürgerkrieg. Dabei sind die Taliban seit Mitte der 1990er Jahre ein zentraler Akteur.  Die Taliban und ihre Vorgänger-Organisationen wurden und werden aus Pakistan unterstützt. Im Jahr 2010 veröffentlichte die London School of Economics einen Bericht, dessen zentrale Aussage ist, dass die Taliban vom pakistanischen Geheimdienst ISI unterstützt werden. Sowohl finanziell, als auch durch Ausbildungsprogramme. Die Rekrutierung von Kämpfern läuft bei den Taliban anders ab als beispielsweise beim IS, erläutert Wilke. Eine große Zahl der Kämpfer schließe sich den Taliban nicht aus ideologischer Überzeugung an, sondern um das eigene Überleben zu sichern. In der Vergangenheit sind die meisten Kämpfer in Koranschulen rekrutiert worden – auch heute hätten diese noch ein große Bedeutung für die Taliban, so Wilke.

Sind die Taliban eine Bedrohung für Deutschland?

Der Krieg der Taliban sei aus ihrer eigenen Sicht ein „Widerstand gegen die westliche Intervention“, dennoch haben die Taliban bislang keine Anschläge in Europa verübt, so Wilke. Das liege auch darin begründet, dass die Taliban danach streben, ihre Macht in Afghanistan auszubauen – dafür benötigen sie ein gute Verhandlungsposition. Dennoch gebe es in Afghanistan und Pakistan ein große Zahl anderer islamistischer Organisationen, „die eher dem Netzwerk von Al-Qaida zuzuordnen“ seien, die in Europa bereits Anschläge verübt haben. Als Beispiele nennt Wilke die Anschläge in London und Madrid.

Im Interview mit detektor.fm-Moderatorin Maj Schweigler stellt Dipl.-Pol. Boris Wilke die Ursprünge und Ziele der Taliban dar. Wilke forscht am Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld und hat sich auf den Konfliktherd Südasien spezialisiert.

„Wenn wir über die Taliban reden, müssen wir über die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse reden, die weiterhin andauern. Die Isolation einer Gruppe hilft bei der Diskussion um die Kriegsfolgen nicht weiter.“Dipl.-Pol. Boris Wilke  

Redaktion: Robin Theodor Schäfer