Digitale Debattenkultur
Früher gab es Marktplätze, heute haben wir das Internet: Unsere digitale Öffentlichkeit spielt sich vor allem auf wenigen großen Social-Media-Plattformen ab. KI-gesteuerte Algorithmen kuratieren unseren Feed und versorgen uns u. a. auch mit KI-generierten Inhalten. Die Spielregeln geben dabei Tech-Milliardäre aus dem Silicon Valley vor — nicht immer zu Gunsten demokratischer Werte.
Wie sich X, Facebook und Co. regulieren lassen, dazu forscht Erik Tuchtfeld am Max-Planck-Institut für ausländisch-öffentliches Recht und Völkerrecht. Mit seiner interdisziplinären Forschungsgruppe humanet3, will er herausfinden, wie der Mensch in den Mittelpunkt des digitalen Wandels gestellt werden kann. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Sozialen Netzwerken als Orte für Debatten und Meinungsäußerung im Internet.
Die Grenzen des Rechts
Problematisch ist für Tuchtfeld die große Macht privater, marktinteressierter Unternehmen über unsere Diskussions- und Diskursräume. Während die Plattformen in den USA aufgrund der „Section 230“ nach eigenem Ermessen Inhalte moderieren und löschen dürfen, versucht der Digital Services Act (DSA), als eine Art Grundgesetz des Internets, europäische Nutzerinnen und Nutzer seit Ende 2022 zu schützen.
Zwar gibt es zahlreiche laufende Verfahren der EU gegen diverse Plattformen, entscheidende Interpretationen des Gesetzes fehlen aber noch, etwa wann eine Plattform gegen „systemische Risiken“ vorzugehen hat.
Ich glaube, dass wir da die Grenzen des Rechts feststellen. Das Recht alleine wird es nicht schaffen, einen guten Online-Diskurs herzustellen. Was es stattdessen braucht, ist wirklich eine andere Struktur von digitalen öffentlichen Orten. Und die sollten vielfältig sein.
Erik Tuchtfeld, Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Brauchen wir eine Social-Media Revolution?
Tuchtfeld sieht eine Lösung im Konzept des Fediverse, ein Zusammenschluss Sozialer Netzwerke mit gemeinsamen Schnittstellen, die außerdem intrinsisch motiviert sind, sich europäischen Werten zu verpflichten.
Außerdem brauche es eine Vielfalt — auch externer — frei wählbarer, transparenter Algorithmen auf den Plattformen.
Man könnte sich vorstellen, dass gemeinnützigen Organisationen wie z. B. Wikimedia Algorithmen entwickeln, die man abonnieren kann oder denen ich sagen kann, dieser Algorithmus soll meine Timeline steuern, denn ich bin besonders interessiert an Faktenwissen.
In dieser Folge von „Ach, Mensch!“ spricht detektor.fm-Moderatorin Jessica Hughes mit Erik Tuchtfeld über online Debattenkultur, über die Frage, warum es neue Algorithmen braucht und was Vollkornbrot und Croissants mit alldem zu tun haben.