Einfach nur den Fernseher anschalten: das machen immer weniger Menschen. Handy, Tablet oder Laptop sind eigentlich immer in der Nähe – wenn sie nicht das klassische Fernsehen schon komplett abgelöst haben.
Denn Mediatheken, Streaminganbieter wie Netflix oder Maxdome oder Online-Portale wie Youtube oder Zattoo haben für das Fernsehen den Spieß umgedreht. Der Zuschauer muss sich nicht mehr nach dem Sender und dem Sendetermin richten. Er schaut, was er will, wann er will. Man könnte auch sagen: den klassischen Anbietern schwimmen so nach und nach die Felle weg.
Doch so ganz ohne Gegenwehr lassen sie das nicht gefallen. Wir haben uns einmal genauer angeschaut, wie sie das anstellen wollen.
GigaTV von Vodafone, Advance TV von Tele Columbus und die Horizon Box von Unity – ein Vergleich
Das können alle drei
- 4K-Auflösung (auch Ultra HD oder UHD genannt – vorausgesetzt, der heimische Fernseher kann das darstellen. Damit 4K oder UltraHD flüssig gestreamt werden kann, braucht es überdies eine Leitung, die mindestes 24 MBit/s schnell ist.)
- Empfehlungslogik: die Box lernt den eigenen Geschmack und schlägt angepasste Inhalte vor
- maxdome-Integration
- Aufnahmen zuhause von unterwegs programmieren
- weitere Apps von Drittanbietern wie soziale Netzwerke, Wetter etc.
GigaTV von Vodafone
- kann auch nur als App, ohne Vodafone Kabelnetz-Anschluss gebucht werden: 9,99 Euro pro Monat / 12 Monate Laufzeit. Ein Angebot, dass es so bei den Konkurrenten nicht gibt.
- Die Set-Top-Box kommt mit 1 Terrabyte (1000 GB) Speicher. Das reicht für bis zu 600 Stunden Aufnahmen.
- Schön auch: die Fernbedienung arbeitet mit Bluetooth, nicht mit Infrarot. Bluetooth ist eine Funkverbindung und braucht keinen Sichtkontakt. Die Box mit all ihrem Kabelsalat kann also im Schrank verschwinden.
- Sprachsteuerung ist softwareseitig vorbereitet, jedoch zum Start noch nicht aktivier. Das wird demnächst ausgerollt.
- Kosten für GigaTV: 14,99 Euro bei 24 Monaten Vertragslaufzeit. Dazu kommen noch die Kosten für den Vodafone Kabelanschluss.
- Maxdome und Sky können auf der Plattform genutzt werden, kosten allerdings extra.
Die Horizon Box von Unity Media
- Anders als bei Vodafone hat die integrierte Festplatte hier eine Kapazität von 500 GB, ist also halb so gr0ß.
- Dafür lässt sich Netflix als App auf der Plattform nutzen.
- Besonderheit auch: auf der App „Horizon Go“ kann man nicht nur unterwegs Live-TV schauen, sondern sogar (via Googlecast oder Airplay) auf fremde Fernseher streamen
- Die App kostet 4,99 Euro pro Monat und kann monatlich gekündigt werden, erfordert jedoch den Abschluss eines Monatspakets, was den günstigen Preis wieder auffrisst.
AdvanceTV von Telecolumbus
- Punktet mit schneller, flüssiger Bedienung, auch über verschiedene Angebote hinweg.
- Bereits zum Start sollen 4K-Inhalte verfügbar sein
- Contra: Die Wechsel-Festplatte zum Einschieben muss separat erworben werden und gibt’s nur von Tele Columbus.
- Mit der App TV schauen oder auf eigene Aufnahmen zugreifen geht nur im heimischen WLan, nicht unterwegs.
Übrigens versprechen alle Anbieter eine effektive und schnelle Suche, die alle Quellen mit einbezieht: egal ob lineares Live-Fernsehen, Mediatheken oder Filme und Serien bei Anbietern wie maxdome. Eine mitlernende Empfehlungslogik soll nach und nach den eigenen Geschmack lernen und künftig darauf angepasste Tipps geben.
Das scheint auch nötig: einer amerikanischen Studie zufolge verbringen Nutzer von Streaming-Diensten im Schnitt 23 Minuten mit der Suche nach einem passenden Angebot – und verlieren unterm Strich so 474 Tage Lebenszeit.
Der Beitrag zum mitlesen
Berlin, Anfang Dezember 2016. In einem abgedunkelten Raum in der Firmenzentrale stellt Lars Lanske das vor, woran man bei TeleColumbus mit etlichen internationalen Partnern drei Jahre lang werkelte: AdvanceTV soll die Zukunft des Fernsehens sein. Zumindest: ein Schritt auf dem Weg dorthin. Und dass jemand wie der alte Kabel-TV-Dinosaurier TeleColumbus sich darum bemüht, zeigt: die Branche ist unter Druck. Immer weniger Menschen buchen sich einfach so Kabel-Fernsehen und zahlen ab dann fleißig jeden Monat.
Die Antwort von TeleColumbus heißt AdvanceTV. Von UnityMedia gibt’s die Horizon Box. Vodafone mit Kabel Deutschland hat gerade nachgezogen und GigaTV gestartet. Und dass die Angebote alle englische Namen haben, zeigt schon, wohin die Reise geht: man will das alte, klassische, traditionelle Fernsehen verschmelzen mit neuen, auch internationalen Streamingangeboten im Netz. Und technisch geht das so:
Alle Angebote brauchen eine Settop-Box: einen kleinen Kasten, der neben dem Fernseher steht. Den muss man kaufen oder über einen Zweijahres-Vertrag mit mieten. Darüber kommt das normale TV-Signal. Darüber kommt man aber auch ins Netz. Und kann so Serien abrufen und Filme online abrufen. Und: Man kann Sendungen aufnehmen, die im TV läuft. Bei allen Anbietern steckt Maxdome drin, bei manchen auch Sky. Das aber muss man extra bezahlen. Die Mediatheken der Sender, Youtube und andere Apps wie Wetter oder soziale Netzwerke sollen ebenfalls verfügbar sein.
Die Qual der Wahl
Und an der Stelle wird es vielen Menschen schon zu viel. Wie soll man sich entscheiden, wenn man gleichzeitig tausende und abertausende Angebote schauen kann? In Amerika braucht der durchschnittliche Nutzer 23 Minuten, ehe er sich bei den ganzen neuen Online-Services für etwas entschieden hat. Hochgerechnet gehen damit 474 Tage Lebenszeit drauf. Absurd!
Und ein Problem, dass auch die Kabelnetzbetreiber erkannt haben. Sie versprechen: ihre neuen Angebote sollen das Suchen und Finden einfacher machen. Exemplarisch Stefan Beberweil von Telecolumbus:
Wichtiges Element bei der ganzen Plattform ist die übergreifende Suche, also quasi Empfehlungen: von dem Linearen auch über das Interaktive hinweg. Ein Beispiel, wenn gerade ein Tatort läuft: man geht auf die Detailseite des Tatorts. Schaut dann: wer ist als Schauspieler dabei? Dann sieht man, was diese Schauspieler noch für Filme gerade machen und wo dieser Film im Live-TV oder auch in der Bibliothek verfügbar ist – und kann da direkt drauf zugreifen. Das Gesamtangebot über eine Suche, eine Plattform hinweg ist der Mehrwert. – Stefan Beberweil, TeleColumbus
Ähnliche Versprechen geben die Mitbewerber ab. Man sucht nach einem Schauspieler, einer Serie, einem Film – und egal, ob die nun im klassischen TV läuft, bei einem der Streaming-Anbieter verfügbar ist oder vielleicht in einer Mediathek oder eigenen Aufnahme schlummert: die Suche soll das alles finden und in einer Oberfläche zusammenführen. Und nicht nur das: die Suche soll mitlernen. Auf allen Geräten:
Natürlich bauen wir eine klassische Set-Top-Box, wie man sie kennt. Nur das tolle ist, dass die gesamte Intelligenz nicht in der Box liegt, sondern in der Cloud. Alles, was der Kunde softwareseitig nutzt – sei es Menüführung und so weiter – wird alles in der Cloud abgespeichert. – Florian Kramer, Vodafone
Apps, Smartphones, Tablets – Der Kampf um die Jungen
Alles schön und gut, nur gibt’s am Ende ein Problem. Was Vodafone, UnityMedia, TeleColumbus und Co. Erreichen wollen: junge Menschen wieder zurück gewinnen – oder zumindest die, die mit normalem Fernsehen immer weniger anfangen können. Die auf dem Tablet oder Laptop schauen. Was sie wollen. Wann sie wollen. Die Digital Natives – oder wenigstens deren Eltern.
Und da kämpfen sie gegen mächtige Gegner. Netflix und Amazon heißen die zum Beispiel. Und die kosten weniger und sind mitunter monatlich kündbar. Flexibilität, an die sich die Nutzer gewöhnt haben. Mit 24 Monaten Vertragslaufzeit schreckt man die eher ab. Und mit Kosten zwischen 15 und 50 Euro im Monat auch.
Einzig Vodafone sticht hier heraus, die GigaTV auch nur als App anbieten: 12 Monate Laufzeit, 10 Euro im Monat. Ob das junge, mobil verwöhnte Nutzer überzeugt, muss sich zeigen. Immerhin: die Nutzung per App haben alle Anbieter auf dem Schirm – exemplarisch Florian Kramer von Vodafone Kabel Deutschland:
Wie nutze ich das als Kunde? Am Ende des Tages können Sie das über die Box auf ihrem Fernseher im Wohnzimmer nutzen. Das Gleiche bekommen Sie aber auch auf Ihrer App, die Sie dann sowohl auf dem Tablet als auch auf dem Smartphone nutzen können. Das wird optisch genau gleich aussehen. Dort werden Sie die gleichen linearen Angebote bekommen. Sie werden auch Zugriff auf die Mediatheken bekommen. Auch die VOD-Angebote. Dann können Sie selber entscheiden: Schau ich das Angebot auf meinem großen Screen im meinem Wohnzimmer, oder nehme ich mein Tablet oder Smartphone und schaue im Schlafzimmer zum Beispiel zuhause oder auch, wenn ich unterwegs bin.
Die alte und die neue Welt
Was alle drei bieten: Aufnahmen programmieren, auch von unterwegs. Was nicht alle drei bieten: lineares Fernsehen auch unterwegs schauen, oder eigene Aufnahmen abrufen. Bei TeleColumbus geht das nur im heimischen WLan. Die anderen Anbieter bieten das auch unterwegs. Was wiederum alle gemeinsam haben: neben der SetTop-Box sind höchstens drei weitere Endgeräte erlaubt. Florian Kramer von Vodafone erklärt, warum:
Aus Content-rechtlicher Sicht sind einige Angebote limitiert. Also linear kann man auf allen vier Geräten eine beliebige Anzahl an Sendungen sehen, auch gleiche Inhalte. Beim VOD-Angebote ist es reduziert auf zwei Geräte. Also wenn er den selben VOD-Film sehen will, dann kann er das auf zwei Geräten machen. Das hat rein Content-rechtliche Hintergründe.
Und so prallt sie zusammen: die alte und die neue Welt, und zwar in unserem Fernseher. Die Vertreter der alten Welt: sie versuchen, ein bisschen was dieser neuen Welt in ihre bisherige zu integrieren. Das müssen sie auch. Denn verglichen mit dem Durchschnitt in Deutschland schauen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren nur noch halb so viel Fern – und immer öfter auf ein Tablet und Smartphone.
Wirklich interessant sind GigaTV, AdvanceTV, die HorizonBox oder EntertainTV nur, wenn man schon bei Vodafone, Kabel Deutschland, Unity, TeleColumbus oder Telekom Kunde ist und Kabelfernsehen von dort bezieht. Mit anderen Worten: für bestehende oder neue, eher bequeme Kunden. Die Zukunft des Fernsehens: zumindest bisher sieht sie noch für jeden ein bisschen anders aus.