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Science Open öffnet Türen in der Wissenschaftspraxis: Forscher können ihre Manuskripte der Community zugänglich machen und so veröffentlichen. Foto: Open wide © Forsaken Fotos | flickr.com | Lizenz | CC BY 2.0

Offene Wissenschaftsplattform gestartet

Forschungsquartett | ScienceOpen – Ein Fortschritt für die Wissenschaft?

Publish or Perish – veröffentliche oder gehe unter. Das ist die gängige Formel im heutigen Wissenschaftsbetrieb. Wissenschaftler stehen unter dem Druck, in verschiedenen, möglichst angesehenen Journalen zu veröffentlichen. Darunter können Forschung und Lehre leiden. Nun gibt es eine neue Plattform, die den Wissenschaftsbetrieb umkrempeln könnte.

Wissenschaftler arbeiten in Forschungsgebieten, die uns mehr über die Welt oder uns Menschen verraten. Da ist es selbstredend, dass sie ihre Arbeiten an die Öffentlichkeit bringen wollen.

Alexander Grossmann - ist u.a. Professor für Verlagsmanagement. Foto: M. Heeke

ist u.a. Professor für Verlagsmanagement. Foto: M. Heeke
Alexander Grossmann

Derzeit erscheint ein Großteil der Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften. Mittlerweile hat sich aber eine Alternative gebildet: Open Access – also der freie Zugang zu Materialien im Netz.

Die Plattform Science Open verbindet die Idee des Open Access mit Elementen von sozialen Netzwerken und dem klassischen Verlagswesen: Die Manuskripte sind frei zugänglich, die Community kann die Beiträge kommentieren und die Plattform kann aus den Manuskripten zitierfähige, wissenschaftliche Arbeiten machen.

 

detektor.fm-Reporter Max Heeke hat Alexander Grossmann, Mitgründer der Plattform getroffen und erklärt, ob Science Open wissenschaftlichen Fortschritt bedeutet.

Forschungsquartett . Science Open: Fortschritt der Wissenschaft? 04:29

 

Das Skript zum Nachlesen

Science Open – Offene Wissenschaft – so heißt die neue Open Access-Plattform, die vergangene Woche in Berlin an den Start gegangen ist. Offene Wissenschaft- das klingt wie Kleiner Zwerg oder unerwarteter Zufall. Sollte Wissenschaft nicht immer offen, also transparent und kritisierbar sein?

Die derzeitige Wissenschaftspraxis ist in manchen Bereichen eher undurchsichtig: Vor allem, wenn es darum geht, seine Forschungsarbeiten bei Journalen zu veröffentlichen. Alexander Grossmann, Physiker, Professor für Verlagsmanagement und Gründer der Plattform Science Open kennt die Tücken des Systems:

Je nachdem welche Zeitschrift man ausgesucht hat, hat man mit einer hohen Wahrscheinlichkeit die erste Runde nicht geschafft. Bevor irgendein Gutachter, das wäre der nächste Schritt, kritisch darauf guckt, entscheiden schon bei allen großen Redaktionen die wissenschaftlichen Redakteure, also Editors, darüber, ob man überhaupt in die zweite Runde kommt. Und es gibt sowas wie die Champions League, Nature oder Science, da werden 80 Prozent der Beiträge abgelehnt. – Alexander Grossmann

Wenn man es dann in die Auswahl geschafft hat, kann es mitunter noch Monate bis zur Veröffentlichung dauern, so Alexander Grossmann. Im heutigen Wissenschaftsbetrieb können Ergebnisse innerhalb dieser Zeitspanne schon wieder veraltet sein. In der Zeit vor dem Internet gab es keine andere Lösung, betont Alexander Grossmann:

Früher ging es nicht anders. Da wurde es mit der Post, mit Briefen durch die Gegend geschickt, das war quasi ein eindimensionaler Weg, da musste der work flow so gestaltet werden. Aber spätestens seit dem Computer, seit dem Internet fragt man sich: Warum eigentlich? Und seit es soziale Netzwerke gibt, fragt man sich das noch mehr: Warum muss man das so eindimensional machen? Warum kann man nicht dieses Manuskript auf eine Plattform stellen, und dann können die Gutachter dort zugreifen und parallel Feedback geben?

Das Netzwerk Science Open soll eine Antwort auf diese Frage sein. Wissenschaftler können sich dort registrieren und ihre Manuskripte offen auf die Plattform stellen- das Schlagwort heißt Open Access, also der freie Zugang zu Daten und Informationen. Andere Nutzer sollen die Artikel lesen und Kommentare abgeben können- hier grüßen soziale Netzwerke a la Facebook und Twitter.

Damit die Qualität gewahrt bleibt, können nur Wissenschaftler Kommentare und Gutachten abgeben. Dabei soll auch im Netz das Modell der Peer Review gelten. Das bedeutet, dass nur fachgleiche Forscher wissenschaftliche Arbeiten begutachten. Die Gründer der Plattform hoffen auf die Macht der Community:

Der Nutzer entscheidet, welchen Beitrag er liest, welchen Beitrag er kommentiert, und selbst wenn da Hunderte von Beiträgen zum Beispiel in der Biochemie pro Woche eingereicht worden sind, werden die Beiträge, die hohe Relevanz haben, am häufigsten angeklickt, am häufigsten angesehen, am häufigsten kommentiert. Die schwimmen nach oben, sind dadurch besonders sichtbar, während die Beiträge, die weniger relevant sind oder vielleicht sogar schlecht sind, die sacken nach unten. – Alexander Grossmann

Die Angebote der Plattform sind weitestgehend gratis. Kostenpflichtig wird es erst, wenn das Manuskript veröffentlicht, also zu einem wissenschaftlichen Artikel wird. Dazu stellt ScienceOpen eine Art Stempel aus, mit dem die Beiträge sofort zitierfähig sind. Außerdem bietet die Plattform Übersetzungsdienste an.

Die Gefahr von Missbrauch schätzt Mitgründer Grossmann gering ein. Auch das klassische Verlagswesen sei vor Betrug nicht gefeit und bei Science Open gebe es die Community, die Betrug ahndet:

Wenn Leute das System missbrauchen, es passiert in der Öffentlichkeit, es passiert mit dem Klarnamen und nicht mit einem Fakenamen, wo man nicht weiß ,wer verbirgt sich dahinter, und da ist eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Missbrauch, der gerne im Verborgenen blüht, nicht sich so durchsetzen kann, wie er eben in der Anonymität oder in geschlossenen Gruppen sich durchsetzen könnte. Ich meine, verhindern wird man es nie können, wir wollen auch moderativ so wenig wie möglich eingreifen. – Alexander Grossmann

Science Open richtet sich zwar hauptsächlich an Forscher, aber auch für Laien könnte die Plattform interessant sein: Wer wissen will, ob wir ein soziales Gehirn haben, welche Dynamik sich in Gruppen bei Neuankömmlingen entfaltet und wie die Porträts von Verletzten im ersten Weltkrieg mit dem Computerspiel Bioshock zusammenhängen, der wird auf ScienceOpen sicher fündig.

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