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Fortschritt | Digitaler Nachlass: Was bieten die Anbieter – und was sagt das Recht dazu?

Was tun mit Profilen und Mailkonten von Verstorbenen? Was Facebook, Google, Twitter und Co. für Regeln vorsehen, und wo das Erbrecht Chancen und Risiken bereit hält – eine Übersicht.

Es ist eine der kritischsten, sensibelsten Aufgaben, die man im Laufe eines Lebens zu überstehen hat: ein Erbe verwalten. Eine einfache Aufgabe war das noch nie. Doch seitdem wir alle digitale Konten und Profile pflegen, ist sie noch ein Stück komplizierter geworden. Und immer öfter stellt sich die Frage: wie umgehen mit den hinterlassenen Konten bei facebook, twitter, google und Co.? Mit der digitalen Kopie eines halben Lebens?

Wir erklären heute, welche Dienste das wie handhaben – und wir sprechen mit einem Juristen über die Frage, was das heutige Erbrecht beim „digitalen Erbe“ regelt.

Google, Facebook, Twitter & Co. – Wie Anbieter mit digitalen Nachlässen umgehen

Google hat gerade für Aufruhr gesorgt, und eine Art Testaments-Funktion für alle Google-Dienste vorgestellt. Was dieser Google-Dienst kann, und wie man das bei anderen Anbietern handhabt, mit dem digitalen Nachlass: eine Übersicht.

Fortschritt – Digitale Nachlässe – Was google facebook und Co für Lösungen anbieten 06:09

Soziale Netzwerke und Internetdienste: Wir reden eigentlich fast immer darüber, wenn es was zu lachen gibt, oder eine technische Veränderung. Über diese gesellschaftliche Komponente ja meistens nicht?

Das stimmt – und ist eigentlich ein ziemliches Problem. Denn wenn wir uns einmal bewusst zu machen, was da passiert: wir hinterlassen sehr deutliche Spuren. Wir stellen unseren Lebenslauf bei Linkedin oder Xing ein. Wir teilen auf facebook private Momente, Bilder, Meinungen. Wir suchen in Google mitunter Privatestes, wie Krankheiten oder Versicherungen. Wir nutzen unser Mailkonto, um Dinge mit Banken, geschäftliche wie auch private Konflikte zu klären. Und all das bleibt. Es bleibt auf den Servern liegen, wenn wir sterben. Ein ganzes Lebensabbild. Und darum wird dieses Thema eben zunehmend wichtiger.

Nun haben wir eben schon gehört: Google hat sich des Themas angenommen. Und eine Art Testaments-Funktion vorgestellt. Was ist das?

Die Neuheit nennt sich „inactive account manager“, oder „Konto-Inaktivitäts-Manager“. In den Kontoeinstellungen kann man nun eine Zeit x festlegen – zwischen drei Monaten und einem Jahr. Wenn es innerhalb dieser Zeit keinerlei Aktivität im Konto gab, kriegt man nochmal eine Nachfrage per SMS. Erfolgt keine Reaktion, gibt es zwei Optionen. Entweder Google löscht all die Daten, die der Nutzer vorher dafür festgelegt hat. Oder diese Daten gehen an jemaden, den der Nutzer vorher dafür bestimmt hat. Diese digitalen Erben kriegen dann aber nur die Daten – keine Passwörter zu den Konten, so dass sie die nicht weiter benutzen können.

Und das Ganze betrifft, wenn man es will, alle Google-Dienste. Google Mail, Kalender, Videos und Fotos auf Youtube und Picasse, das soziale Netzwerk Google+ oder auch Blogs bei Blogger. Obwohl das unterschiedliche Dienste sind, laufen die alle über ein Google Nutzerkonto. Und für ebenjenes Konto stellt man das Vorgehen ein.

Das heißt, bei Google kann man fortan selbst aktiv werden. Wie handhabt es denn der große Player unter den sozialen Netzwerken, facebook? Was kann man dort tun, wenn jemand verstorben ist, aber das Profil noch da ist?

Zunächst muss man akzeptieren, dass diese Entscheidung bei der Familie und dem Lebenspartner liegt. Auch wenn man zum engen Freundeskreis gehört und sich vielleicht über so eine Erinnerung freuen würde.

Facebook bietet zwei Möglichkeiten an. Man kann ein Konto löschen lassen. Man kann es aber auch beantragen, es in den Gedenkmodus zu versetzen.

Das stellt dann sicher, dass sich niemand mehr für dieses Konto anmelden kann.

Für beides bietet Facebook online Formulare an. Die sind auch gar nicht so aufwändig. Wenn man ein Konto in den Gedenkmodus versetzen möchte, reicht wohl z.B. ein Nachruf. Um zu löschen, muss man aber einen Berechtigungsnachweis bringen, also Sterbeurkunde oder Geburtsurkunde und weitere Belege.

Danach kann es einige Wochen dauern, weil das natürlich händisch von Mitarbeitern geprüft wird. Und was in keinem Fall gehen wird, ist: das Passwort für ein Konto zu erhalten.

Und andere Dienste? Kann man das so pauschal beantworten?

Twitter gibt Passwörter heraus. Der Weg dahin ist wohl aber recht kompliziert – man verlangt da wohl einen Berg an Dokumenten, um eine Berechtigun nachzuweisen.

Yahoo löscht recht radikal alle Daten, sobald man vom Tod eines Nutzers erfährt.

Beim Mailanbieter GMX ist es so, dass Konton grundsätzlich vererbbar sind. Erben können dort, wenn sie einen Nachweis haben, das Konto einsehen, löschen – oder eben auch weiter nutzen.

Und eine Sache, die man gern mal vergisst: automatisch synchronisierte Adressbücher. Wenn man zum Beispiel in ein iPhone die Daten einträgt, dann liegen die auf einem Apple-Server. Also, auch an solche synchronisierten Adressbücher muss man mit denken.

Also, wenn man hier überhaupt Ratschläge erteilen darf: was sollte man denn tun, um Angehörigen Ärger zu ersparen?

Natürlich beschäftigt man sich nicht gern mit dem eigenen Tod. Vielleicht ist es aber doch ratsam, da mal in Ruhe drüber nachzudenken und sich gemeinsam auf ein Verfahren zu einigen.

Man kann zum Beispiel Konten und Nutzerdaten einfach notieren und irgendwo hinterlegen, für die Angehörigen.

Wer das technisch kann, nutzt einen Passwort-Manager, wo alle Passwörter hinterlegt sind. Dann muss man nur noch das Master-Passwort an die Vertrauensperson übergeben oder ins Testament schreiben.

Wer auf Nummer sicher gehen will, der nimmt ein paar Euro in die Hand, und nutzt ein Schließfach oder einen Notar dafür. Oder aber man bedient sich professioneller Firmen dafür. Es gibt mittlerweile Anbieter, die das für einen verwalten. Und ebenso gibt es Anbeiter, die nach dem Tod eines Angehörigen online nach Konten forschen und Festplatten etc. nach Passwörtern und Hinweisen durchsuchen.

Blogs & Online-Kredite ja, Mails nein – Was das Erbrecht regelt

Zählen Mailkonten und Profile zum Erbe? Hat der Erbe automatisch auch getätigte Online-Geschäfte zu übernehmen? Und warum ist es mitunter so schwierig, an Mailkonten eines Verstorbenen zu gelangen?

All diese Fragen beantwortet Prof. Dr. Peter Bräutigam, Fachanwalt für IT-Recht und auch auf Erbrecht spezialisiert.

Also, was ein Erbe ist, darunter können sich die meisten etwas vorstellen. Wie ist das denn mit Profilen in soziale Netzwerken und Mailkonten. Ist das denn Teil eines Erbes?

Sehr gute Frage. Zunächst müssen wir zwei Dinge unterscheiden. Erstens, was fällt in den digitalen Nachlass, was geht im Erbgang über? Da wird man sagen: eigentlich alles. Alles, was vermögensrechtlich ist – dazu gehören Briefe in der Offline-Welt – aber auch Emails in der Online-Welt.

Schwierig wird’s aber dann mit dem Telekommunikationsgeheimnis, weil der Provider gehalten ist, das geheime Gespräch, das Telefonat oder auch die Email auch gegenüber Dritten geheim zu halten. Und jetzt stellt sich die entscheidende Frage: Ist denn der Erbe, der Hinterbliebene, ein solcher Dritter, dem diese Emails gar nicht herausgegeben werden dürfen?

Und dazu muss man sagen, das Bundesverfassungsgericht unterstellt auch, dass den Email-Verkehr, also die ruhende Kommunikation, dem Telekommunikationsgeheimnis und als solches ist diese Kommunikation geschützt, und zwar für beide: sowohl für den Erblasser, den Toten, als auch für seinen Kommunikationspartner. Das heißt, der Provider hat große Schwierigkeiten rechtlicher Art diese Emails einfach so dem Erben herauszugeben.

Macht es da denn einen Unterschied, ob ich ein Profil in einem sozialen Netzwerk vor mir habe, oder ein E-Mail-Konto?

Im sozialen Netzwerk ist es meistens so, dass dort andere Gesetzmäßigkeiten gelten, die Anbieter haben verschiedene Regularien, das ist also insoweit kein Geheimnisschutz. Schwierig ist es eben bei der Email-Kommunikation, die ja so zwischen Telefonat und Brief liegt und die eben diesem Telekommunikationsgeheimnis unterliegt.

Und wie löst man das?

Tja, sehr gute Frage – verschiedene Juristen, verschiedene Meinungen. Das Thema ist absolut neu und wird natürlich immer virulenter, weil man natürlich klar sagen muss: ja, der Erbe möchte natürlich an die Emails ran.

Prof. Peter Bräutigam - Fachanwalt für IT-Recht und auch Experte für Erbrecht

Fachanwalt für IT-Recht und auch Experte für Erbrecht
Prof. Peter Bräutigam

Ein praktisches Thema ist natürlich, wenn der Erbe sowohl den Zugang als auch das Passwort des Erblassers hat. Man hinterlässt also die Passwörter und dann geht der Erbe quasi unter der Camouflage des Erblassers sozusagen als Erblasser noch in die Email-Accounts.

Juristisch sauber ist natürlich die andere Variante, nämlich dass wir hier eine Lösung finden, dass auch der Erbe diesen Zugang hat und dass der Provider gehalten ist, diesen Zugang auch zu ermöglichen. Und da gibt es jetzt verschiedene Überlegungen – ich bin da auch mit dabei – dass wir uns eigentlich überlegen, dass der Gesetzgeber da aufgerufen ist und das Telekommunikationsgeheimnis insoweit konturiert und näher regelt, dass auch also auch beim Email-Verkehr die Erben dann den Zugriff haben.

Viele Geschäfte laufen ja heute online. Kredite, Online-Bestellungen, Reisebuchungen. Gehen diese Verträge auf die Erben über?

Da ist es genauso wie in der Offline-Welt – all diese Verträge gehen über. Also, da ist es so wie ein Mietvertrag, wie ein Zeitungsabo, usw. usf. Sofern das nicht höchstpersönliche Leistungen sind, wie zum Beispiel ein Arbeitsverhältnis, das natürlich nicht auf den Erben übergeht, aber all die anderen Sachen, Abos, Bestellungen, auch zum Beispiel Urheberrechte – Blogs, Blogeinträge, Zeichnungen, Filme – die gehen alle automatisch als vermögensrechtliche Positionen, als rechtliche Ansprüche auf die Erben über.

Also, dann raten Sie, unbedingt diese Sache zu Lebzeiten sauber zu klären. Was kann man denn konkret machen? Raten Sie den Menschen unbedingt, Leuten die Passwörter weiterzugeben, oder wie muss man das sauber machen?

Absolut. Also, momentan ist die Rechtslage ja unklar und deswegen gibt es ja die verschiedenen Ansätze. Manche Provider stellen Email-Accounts gar nicht zur Verfügung, andere gehen jetzt nach vorne mit pragmatischen Vorschlägen. Aber wie gesagt, die Rechtslage ist disparat, deswegen mein Rat der folgende:

In der testamentarischen Gestaltung oder schon zu Lebzeiten eine digitale Vorsorgevollmacht oder ein digitales Testament. Das ist ein Testament, das nicht jetzt per Email errichtet wird, sondern schon handschriftlich, aber eben die ganzen digitalen Onlinepositionen umfasst. Das heißt, da sind Passwörter drin, da ist auch eine klare Übersicht, welche Website, welche Kontakte dort bestehen, welche Ansprüche, welche Abonnementverträge, welche digitalen Inhalte – Fotos usw. usf. – all das muss in dem Testament berücksichtigt werden, auch schon deshalb, weil man möglicherweise unterschiedliche Erben oder Leute damit bedenken will, im Rahmen von Vermächtnissen.

Das wird die Aufgabe der Erbrechtler, Notare der Zukunft, dass man diese digitalen Inhalte mit berücksichtigt in der erbrechtlichen Gestaltung.

Und dann gibts ja so Anbieter, die nach dem Tod eines Angehörigen online nach Konten forschen und Festplatten etc. nach Passwörtern und Hinweisen durchsuchen. Ist das Ihrer Meinung zu empfehlen, oder eben nicht?

Das sind natürlich die verschiedenen Geschäftsmodelle, die sich rund um dieses neue Phänomen – wenn ich es mal so nennen darf – ranken. Da muss man aufpassen natürlich. Die Anbieter müssen immer im Bereich der Legalität agieren, das ist wichtig, weil man sonst in strafrechtliche Bereiche kommt, auch als Auftraggeber, nämliche möglicherweise Anstifter oder Beihelfer. Also, da ist Vorsicht gegeben. Wenn das sich aber im legalen Rahmen bewegt, sind das möglicherweise sehr nutzprämierende Dienstleister, die einem helfen, eben noch die ganzen Kontakte noch aufzuspüren. Es ist ja nicht jeder ein „Digital Native“ und wenn sich da einer überhaupt nicht auskennt und aber der Tote eigentlich nur digital unterwegs war, dann ist das natürlich sehr hilfreich.

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