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Fortschritt | Der Rasen im Stadion – eine Wissenschaft für sich

In Zeiten der großen Turniere im Fussball stehen Spieler und Trainer im Fokus. Es wird über Trikots, Abseitsentscheidungen und Kamerabilder diskutiert. Über den Rasen hingegen wird nur selten gesprochen – dabei ist der eine Wissenschaft für sich.

Wolfgang Prämaßing - ist Mitglied der «AG Rasen» beim DFB und kennt sich mit dem sportlichen Grün aus.

ist Mitglied der «AG Rasen» beim DFB und kennt sich mit dem sportlichen Grün aus.
Wolfgang Prämaßing

Beim Fußball ist alles wichtig: die Spieler, das Outfit der Trainer, der Ball, die Schuhe, die Trikots – das liese sich beliebig fortsetzen. Am Ende jedoch steht das alles aber auf einem gemeinsamen Grund: dem Rasen. Und wie überall im Profisport findet sich auch hier das Bemühen, ein Maximum aus Material und Athleten zu holen.

Denn Spiele werden nicht selten auch über einen mehr oder weniger guten Rasen entschieden. Erst vor wenigen Tagen machten die spanischen Spieler bei der Fußball-EM den Rasen für ihr schlechtes Spiel gegen Italien (1:1) verantwortlich. Dafür ernteten sie viel Kritik bei Presse und Fans.

Der Beruf des Platzwarts kam nach dieser „Meckerattacke“ in den Fokus. Wo früher das Rasenmähen und Wässern noch ausreichte, spielen die Mannschaften heute auf Hightec-Untergründen, die mit viel Pflege entwickelt werden. Die „Greenkeeper“ fristen im Gegensatz zu den Spielern aber ein Schattendasein.

Was gehört eigentlich zum Beruf des „Greenkeepers“ dazu? Welche Anforderungen werden heute an die Plätze gestellt? Und welche Technik kommt dafür zum Einsatz? Das erklärt  Wolfgang Prämaßing. Der Agrarbiologe bildet an der DEULA Kempen Greenkeeper aus, ist Beisitzer im Vorstand des „Deutsche Rasengesellschaft e.V.“ und Mitautor des DFB-Buches“Sportplatzbau“.

Greenkeeper Profis fuer Fußballrasen 08:07

Zum Mitlesen: Wolfgang Prämaßing über die „Wissenschaft Fußballrasen“

Was sollte den einen guten Stadionrasen vom Rasen bei uns hintem im Garten unterscheiden?

Das fängt zunächst mal an mit der richtigen Gräserauswahl. Wir haben zwar vergleichbare Gräserarten, das ist im Wesentlichen das deutsche Weidelgras und die Wiesenrispe, die haben wir auch im Hausrasen. Allerdings ist es so, dass wir im Sportrasen – der wird eingeordnet in den Rasentyp „Strapazierrasen“ – speziell für diese Strapazen gezüchtete Formen dieser beiden Grasarten haben. Hier sollte die entsprechende Auswahl getroffen werden für den Einsatz, sei’s im Rasensoden oder in der Ansaat.

Also ist das eine ganz spezielle Sorte, die hauptsächlich zum Einsatz kommt?

Es gibt von diesen Grasarten mehrere Sorten Züchtungen, die bewertet werden vom Bundessortenamt und den Sortenversuchen, und hier kann man sich top bewertete Sorten für die Strapazierfähigkeit, die Trittfestigkeit und die Scherfestigkeit raussuchen. Genauso spielt hier eine Rolle das optische Bild, auch der Farbaspekt kann hier einbezogen werden. Wenn man einen dunkelgrünen Rasen haben will, dass man sich auch dunkelgrüne Sorten aussucht.

Wieviel Technik ist jetzt zum Beispiel in den EM-Stadien nötig, damit der Rasen in einem guten Zustand ist?

Hier wird im Prinzip täglich dran gearbeitet. Man kann davon ausgehen, dass hier mehr oder weniger täglich in den frühen Morgenstunden gemäht wird. Das muss dann vollzogen sein, wenn die Spielfeldabnahme für das Spiel am Nachmittag oder am Abend stattfindet. Durch das Mähen wird das Mähmuster bzw. das Muster, das wir auch am Fernsehbildschirm gut erkennen können, mit angebracht. Das wird sehr exakt hier eingemessen und dann durch das Mähen – die Mäher laufen auf Walzen – wird das Mähmuster, dass wir diese Bänderungen auf dem Spielfeld auch gut erkennen können, auch mit hergestellt. Allein für diese optische Geschichte ist schon ein Aufwand nötig. Dann wird durch das Mähen die Schnitthöhe eingestellt bei etwa 28 Millimeter, dass also auch immer gleiche Bedingungen für alle Spiele oder für alle Spieler hergestellt werden. Im Hintergrund oder im Vorfeld werden hier natürlich auch Düngungsmaßnahmen vorgenommen, genauso Bewässerungsmaßnahmen, damit Wasserversorgung und Nährstoffversorgung entsprechend eingestellt ist für die Gräser. In Einzelfällen, in Schattenbereichen, werden schon mal Beleuchtungseinheiten aufgestellt, was aber vorwiegend eigentlich in den Wintermonaten stattfindet. Aber bei modernen Stadien, wo Ganztagsschatten in einer Ecke ist, kann das auch schon mal zu Hilfe genommen werden.

Wie funktioniert das dann?

Das müssen wir auf die Wintermonate, von Oktober bis März, in den meisten Fällen beschränken. Hier werden Beleuchtungseinheiten auf fahrbaren Gestellen im Stadion eingesetzt, die im Prinzip das Sonnenlicht ersetzen, was wir in den Wintermonaten bei den Stadien mit starker Überdachung einfach viel zu wenig auf der Rasenfläche haben. In Einzelfällen weiß ich das aus der Praxis, dass zum Beispiel jetzt, wenn ein Spielfeld für die Bundesliga-Saison wieder hergerichtet wird, wo eine Ansaat jetzt stattgefunden hat, dann wird in dem beschatteten Bereich, wo also auch jetzt im Sommer den ganzen Tag in einem Streifen keine Sonne hinkommt, auch hier wird bei der Nachsaat dann zum Beispiel mit Beleuchtungseinheiten nachgeholfen, um entsprechende Lichtmenge in diesen Schattenbereich zu bringen, genauso wie im übrigen Feld, wo die Sonne hinkommt, Tageslicht vorhanden ist.

Welche Technik steckt im Rasen drin? Heizung kennt man ja, aber gibt’s auch noch Belüftung oder so etwas?

{info_1} Es ist so das alle, dass alle Bundesliga- und Zweitliga-Stadien Verpflichtung haben, Rasenheizung in den Stadien zu besitzen, um den Winterspielbetrieb einigermaßen sicherstellen zu können – sprich, dass die Profis nicht ständig auf gefrorenem Boden spielen müssen. Dafür ist eigentlich die Rasenheizung der Zweck. Wenn Sie Belüftung ansprechen: das sind weiterführende Pflegemaßnahmen, die über das alltägliche Pflegen wie Mähen hinaus gehen. Die Bodenbelüftung dient dazu, Verdichtungen, die durch Spielbetrieb und durch das ständige Treten auf den Rasen, die Rasenfläche und den darunterliegenden Boden aufgebracht werden wieder zu lockern und damit den Boden wieder durchgängiger für Luft, aber eben auch für Wasser zu machen, damit die Wasserabführung besser funktioniert. Wenn das funktioniert, dann haben wir auch mehr Sauerstoff im Boden. Den Sauerstoff brauchen wir für den Wurzelbereich, also die Aktivität der Wurzel und genau so für die Aktivität des Bodenlebens, für die Bodenorganismen. Deswegen also diese Belüftungsmaßnahmen.

Der Begriff des Greenkeepers – also Platzwarts – ist soweit bekannt. Wie arbeitet denn so jemand und wie viele Stunden arbeitet er für den Rasen pro Woche?

Das kann natürlich sehr stark variieren. Wenn man jetzt von einem Turnier ausgeht, dann sind die Greenkeeper sicher im absoluten Höchsteinsatz. Das wird bei so einem Turnier mit dem ersten Mähen sicher so gegen 4-5 Uhr beginnen, damit bis zur Spielfeldabnahme alles vollzogen ist, weil hier dann auch die ganze andere Technik, zum Beispiel Werbung, Fernsehtechnik, Kamerapositionen und so weiter eingerichtet sind. Das heißt, hier muss im Vorfeld schon viel gearbeitet werden. Ich kann ein Beispiel aus der Bundesligasaison liefern. Da habe ich mal im letzten Winter mit einem Platzwart gesprochen. Um ein Spielfeld für den Winterspielbetrieb in einem Stadion herzurichten haben die auch Sonntags früh am Morgen für das Abendspiel, um Schnee und Eis vom Platz zu bekommen und haben bis kurz vor Anpfiff alles getan, damit das Feld bespielbar ist. Da sammeln sich also viele Überstunden an. Das sind sicher oft Tage von 10, 12 oder 14 Stunden, die da zusammenkommen können – gerade, wenn es um die Vorbereitung auf bestimmte Spiele geht.

Ist Greenkeeper eigentlich ein Ausbildungsberuf?

Der Greenkeeper ist bei uns kein Ausbildungs- sondern ein sogenannter Fortbildungsberuf. Das ganze beruht auf gärtnerischen, landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Ausbildungen. Wer das hat, der kann mit dreijähriger Berufspraxis auch eine Prüfungszulassung für den Greenkeeper bekommen. Die Möglichkeit haben aber auch Fremdberufler. Die Fortbildung besteht aus drei Kursblöcken, die im Regelfall auf einen Zeitraum von zwei Jahren aufgeteilt sind und in den Wintermonaten stattfinden, weil das ganze berufsbegleitend vollzogen wird. Ein Sinn dahinter ist natürlich auch, dass de Teilnehmer in der Praxis arbeiten sollen. In den Kursen kriegen sie das theoretische Knowhow, den Gedankenaustausch und auch den Kontakt zu Fachleuten aus der Rasenindustrie, um hier ihr Netzwerk aufbauen zu können. Im Wesentlichen bekommen sie aber wirklich das Know-How für das „Turfgrass-Management“, was den Golf- und Sportplätzebereich betrifft.

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