Wie viele Handys haben Sie eigentlich zu Hause rumliegen? Ältere Modelle, die nicht mehr in Benutzung und kaputt sind? Gerade beim Telefon kann man eines gut beobachten: moderne Elektronik wird in immer kürzeren Abständen neu gekauft.
Seit ein paar Jahren kommen immer mehr Tablets auf den Markt – und damit landen auch die ersten Tablet-Leichen in deutschen Schubladen und Abstellkammern. Das ist entweder schade, weil wertvolle Rohstoffe darin stecken, oder es ist ärgerlich, weil vielleicht nur eine Kleinigkeit defekt ist. Das Problem: Die meisten modernen Geräte lassen sich nicht auf eigene Faust reparieren.
Muss es direkt ein neues Tablet sein?
Es stellt sich die Frage: Wie recycling- und reparaturfreundlich sind Tablets eigentlich? Und genau mit dieser Frage hat man sich am Fraunhofer Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration (IZM) beschäftigt. Dabei wurden fast zwei Dutzend Tablets unter die Lupe genommen. An der Untersuchung hat auch Karsten Schischke mitgearbeitet, der uns im Interview erklärt, wie leicht moderne Tablets zu reparieren und recyclen sind.
Was reparaturfreundlich ist, ist häufig nicht recyclingfreundlich. – Karsten Schischke
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+++ Das Gespräch zum Mitlesen +++
Sie wollten also herausfinden, wie gut sich Tablets reparieren lassen und wie gut sie sich vielleicht auch recyclen lassen. Wie sind Sie denn dabei vorgegangen?
Also ehrlich gesagt, war das bei uns sehr von der Neugier getrieben, dass wir selber schon seit Jahren unterwegs sind, bei umweltfreundlichen Produkten mitzuwirken – in der Entwicklung und in der Forschung – und dann aber mal gedacht haben: gucken wir uns doch mal die neueste Technik an, ob es überhaupt Unterschiede gibt hinsichtlich der stofflichen Zusammensetzung der Geräte, der Demontage-Freundlichkeit, der Reparierbarkeit? Und deswegen sind wir dann hier bei uns ins Labor gegangen und haben uns eben vorhereine ganze Reihe von Geräten besorgt – der neuesten Generation von Anfang diesen Jahres. Und wir haben versucht sie zu demontieren, um zu sehen wie sie aufgebaut sind, von der Konstruktion her: welche Verbindungsmaterialien, wie Schrauben, Kleber und Clips verwendet werden für die unterschiedlichen Geräte, und ob sich dabei dann auch Unterschiede zeigen bei den einzelnen Geräten?
Das heißt, Sie haben sich tatsächlich hingesetzt und ein iPad oder ein anderes Tablet versucht auseinanderzubauen und was drin steckt?
Genau, so haben wir das hier im Team gemacht und das war durchaus eine etwas aufwändigere Geschichte. Wir mussten uns selber erst mit den Geräten vertraut machen, selber Strategien überlegen, wie man da am besten herangeht, weil wir von jedem Gerät immer nur genau eins hatten und jedes von daher neu kennenlernen mussten. Und gerade bei dem Prozess dann auch festgestellt haben, wie unterschiedlich die Geräte im Inneren dann wieder aufgebaut sind.
Ich finde das tatsächlich sehr spannend, weil ich wüsste bei meinem Tablet gar nicht, wo ich anfangen soll, also wie ich da hereinkommen soll. Das Schöne an den Dingern ist ja, dass sie von außen wie aus einem Guss wirken. Also wo setzt man – jetzt ganz blöde gefragt – an?
Das ist völlig richtig und das ist genau auch das größte Problem, dass es von außen bei keinem der Geräte wirklich offensichtlich ist, wie man es öffnen kann und wo man da herangeht, wenn man wirklich selber eine Reparatur vornehmen will. Es gibt ein Beispiel, das wir gefunden haben: Das ist von Lenovo ein IdeaTab. Weil es dazu auch eine Reparaturanleitung im Internet gibt, sprich eine genaue Zeichnung, in welchem Schritt man welche Schraube lösen muss, welchen Kleber man erst entfernen muss, bevor man an weitere Teile herankommt und das ist natürlich eine sehr gute Hilfestellung für den, ich sag mal, selbst auch dann etwas geübten Technikaffinen, der so ein Gerät nutzen will.
Sie sagen, es war bei diesem Gerät sehr schön. Da hört man ja schon raus, dass es bei vielen anderen Geräten oder sogar der Mehrzahl der Geräte, so etwas nicht gibt oder es einem schwer gemacht wird, wenn man da selbst heran wollte.
Das ist richtig. Man weiß in der Tat nicht, wo genau man ansetzen muss. Und das kommt dann bei einzelnen Geräten vor, dass man den Eindruck hat, an einem bestimmten Rahmenelement ansetzen zu können, aber das ist dann meinetwegen genau die verklebte Stelle, die Clips sitzen woanders; und wenn man vorher schon wüsste, wo die Clips sitzen, die sich dann häufig relativ gut lösen lassen, dann könnte man da mit dem Werkzeug auch viel gezielter ansetzen.
Wir hatten das teilweise dann auch bei den Displayeinheiten, wenn wir versucht haben, das Display von vorne abzunehmen. Da haben wir an der falschen Seite angesetzt und versucht, das Display zu lösen, sodass dort dann entsprechend auch Kabel zertrennt wurden. Hätte man jetzt vorher schon gewusst, wie das Gerät aufgebaut ist, auf welcher Seite die Kabel liegen, hätte man da selber viel besser vorgehen können, um sich da dem ganzen Gerät zerstörungsfrei zu nähern und dann auch wirklich nachher eine Reparatur in Angriff nehmen zu können, anstatt das Gerät dann eigentlich zu Elektronikschrott zu machen.
Nun hat man ja als Laie oft den Eindruck, dass die Geräte auch einfach nicht dafür gedacht sind, dass man eine Reparatur macht. Sondern dass man sich eher ein neues kauft, wenn es halt durch ist, wenn der Akku nicht mehr so leistungsfähig ist. Haben Sie diesen Eindruck bei Ihren Untersuchungen bestätigt gefunden ?
Ich sage mal so, es ist sicherlich von den Herstellern im Großen und Ganzen kein Wert auf Reparaturfreundlichkeit oder Recyclingfreundlichkeit gelegt worden. Das war sicherlich keine Priorität bei der Produktentwicklung.
Ob man das jetzt so weit treibt, dass man dort Absicht unterstellen wollen würde – dass die Hersteller das absichtlich so aufbauen, damit dann auch die Geräte nach einer gewissen Zeit den Geist aufgeben und eben nicht vom Endverbraucher reparierbar sind – so weit würde ich an der Stelle jetzt nicht gehen. Es ist glaube ich eher die Prioritätensetzung, die bei der Entwicklung eine andere war.
Sie haben ja ganz unterschiedliche Modelle getestet und wenn man sich jetzt mal so die Verkaufsschlager anschaut, also die Hitliste der Geräte, die da so über den Tresen wandern – die iPads von Apple, Galaxy Tabs vom Samsung und vielleicht noch die Nexus-Modelle von Google – sind die denn ähnlich überzeugend bei den Tests, die Sie gemacht haben, wenn es um Reparatur und Recycling geht oder sieht es da eher trübe aus?
Für die gilt eben auch wieder, dass sie von der Reparatur- und Recyclingfreundlichkeit allesamt mäßig gut sind. Aber da kommen wir wieder zu dem Grundkonflikt: Geräte, die häufig reparaturfreundlich sind, sind für den Recycler ein Graus.
Es gibt jetzt zum Beispiel die Nexus-Geräte, die häufig mit Clips oder entsprechend auch vielen Verschraubungen im Inneren sind. Beim Nexus 10 zum Beispiel ist der Akku mit zwölf Schrauben verschraubt. Das ist wunderbar für die Reparatur, um den Akku herauszunehmen und um ihn auszutauschen. Für einen Recycler fängt es da schon an, extrem kritisch zu werden, weil er einfach schon nicht die Zeit hat, zwölf einzelne Schrauben zu lösen. Das heißt: sobald er so ein Gerät im Inneren sieht, bis er überhaupt schon zu dem Punkt gekommen ist, denkt er sich sofort irgendwelche brachialeren Methoden aus, um an den Akku heranzukommen. Das ist eben so dieser Grundkonflikt, was reparaturfreundlich ist, ist häufig nicht recyclingfreundlich.
Das klingt fast so, als könnte man nur das eine oder das andere haben. Gibt es da denn Entwicklungsmöglichkeiten, dass man sagt, vielleicht gibt es doch irgendwann ein Tablet, dass sowohl repariert werden kann als dann später auch Recyclingpotenzial hat? Also ist das vorstellbar oder würden Sie sagen das ist schwierig?
Das ist in der Tat eher schon wieder eine Forschungs- und Entwicklungsaufgabe. Uns ist jetzt kein Gerät begegnet, wo wir sagen könnten, das wäre unter beiden Aspekten – Reparaturfreundlichkeit und Recyclingfreundlichkeit – unser Topgerät, das wir da besonders herausstreichen würden. Wir sind eher im Laufe dieser Analyse zu den Überlegungen gekommen, wie kann man die Lebensdauer beurteilen? Müssen die Geräte überhaupt repariert werden? Das ist so etwas, was man sich erstmal ganz grundsätzlich überlegen muss. Wir sind ja herangegangen und haben geguckt, wie leicht lassen sie sich reparieren, wie leicht kommt man an bestimmte Komponenten heran, wie leicht kann man das Display entnehmen, den Akku, die Leiterplatte gegebenenfalls.
Was wir selber nicht untersucht haben, ist, ob das überhaupt die Gerätekomponenten sind, die eigentlich kaputt gehen. Und wenn man da dann Wert darauf legt, auf langlebige Komponenten, auf insgesamt auch ein robustes Gerätedesign, dann muss es ja nicht unbedingt so sein, dass man überhaupt einen Reparaturfall in absehbarer Zeit, innerhalb der nächsten paar Jahre, vor sich hat.