Wer sich mit seinem Telefon in der Nähe eines Tatorts befindet, kann in die Ermittlungsakten der Polizei geraten. Mit der Funkzellenabfrage erhält die Polizei nämlich sämtliche Verbindungsdaten einer Funkzelle. Eigentlich sollen die Daten der Polizei dabei helfen, schwere Verbrechen wie Mord oder Raub aufzuklären. Doch sie wird bei Ermittlungen immer häufiger eingesetzt und sammelt Daten Unschuldiger, wie Zahlen aus Berlin oder Nordrhein-Westfalen zeigen.
Generalverdacht bei Funkzellenabfrage
Bei der Funkzellenabfrage fordert die Polizei von den Mobilfunkanbiertern sämtliche Verbindungsdaten an, die an einem bestimmten Sendemast ein- oder ausgehen. Die Mobilfunkanbieter speichern diese Daten für die Abrechnung. Das sind:
- die Telefonnummer aller Handys innerhalb der Funkzelle
- genaue Uhrzeiten zu sämtlichen ein-und ausgehenden Anrufen sowie SMS
- die Telefonnummern der dazugehörigen Verbindungen
- der Umfang aller mobilen Internetverbindungen
Richtervorbehalt in der Realität
Die Funkzellenabfrage greift in die Privatsphäre und damit in die Grundrechte ein. Deswegen gilt der sogenannte Richtervorbehalt: Die Polizei muss sich eine richterliche Genehmigung einholen, bevor sie die Funkmastdaten von den Mobilfunkbetreibern anfordern kann. Doch in Berlin haben die Ermittlungsrichter im vergangenen Jahr keinen einzigen der insgesamt 500 Anträge der Polizei abgelehnt.
Es ist eine Art eingespieltes Vertrauensverhältnis. Vor diesem Hintergrund wird vielleicht der eine oder andere Beschluss nicht ganz so genau geprüft, wie es idealerweise wünschenswert wäre. – Ulf Buermeyer, Richter am Landgericht Berlin
Bisher wurde die Wirksamkeit der Funkzellenabfrage nicht bewiesen, es gibt keine bundesweiten Statistiken zu ihrem Einsatz und ihrer Wirksamkeit. Kritiker wie Christopher Lauer (Piraten) sehen vor allem das Missbrauchspotenzial, da mit den Daten nahezu vollständige Bewegungsprofile erstellt werden können.
Im Interview hat detektor.fm-Moderatorin Jennifer Stange mit Ulf Buermeyer gesprochen. Er ist Richter am Landgericht Berlin und setzt sich außerdem für die digitale Privatsphäre ein.
Redaktion: Sandro Schroeder