Ein junges Mädchen wird in einem U-Bahnhof vom Zug erfasst und stirbt. Sie hinterlässt trauernde Eltern, Fragen und ein Facebook-Konto. Der Verdacht der Eltern: Ihre Tochter könnte sich das Leben genommen haben.
Die Eltern wollen Gewissheit. Sie versuchen auf das Facebook-Konto ihrer Tochter zuzugreifen, um in den Nachrichten einen Hinweis auf ihren Gemütszustand zu finden. Sie kennen Benutzernamen und Kennwort und trotzdem kommen die Eltern nicht in ihr Facebook-Konto. Der Grund: Der Social-Media-Dienst stellt Accounts von Verstorbenen auf Hinweis in den „Gedenkmodus“. Er ist dann zwar noch für andere Nutzer sichtbar, aber keiner kann mehr darauf zugreifen – außer Facebook selbst.
Facebook-Konto: keine Öffnung
Das soziale Netzwerk erlaubt den Eltern den Zugriff auf den Account auch nach Anfrage nicht. Das ist rechtlich gesehen eine schwierige Situation. Denn der eine Teil der Nachrichten ist von Facebook-Freunden der Verstorbenen verfasst und die haben ein Recht auf Datenschutz. Gilt hier das Erbrecht der Eltern, so dass das Facebook-Konto samt Nachrichten in ihren Besitz übergeht, oder ist die Privatsphäre höher einzuschätzen?
Erste Instanz
Das Berliner Landesgericht hatte zunächst zugunsten der Eltern entschieden. Sie verglichen die Inhalte des Accounts mit dem Fund von Briefen und Tagebüchern. Diese würden auch einfach in den Besitz der Eltern übergehen. Also hätten sie ein Recht auf die Nachrichten in dem Facebook-Konto ihrer Tochter. Die Richter stützten sich bei ihrer Entscheidung auf ein jahrzehntealtes Erbrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch.
Wenn wir die analoge Welt vernünftig gleichsetzen mit der digitalen, also zum Beispiel Briefe vergleichen mit Nachrichten, kommen wir zu sinnvollen Ergebnissen, auch auf Basis des Erbrechts. – Stephanie Herzog, Rechtsanwältin und Erbrechtsspezialistin
Zweite Instanz
Das Berliner Kammergericht hat die Entscheidung des Landesgerichts nun gekippt und zugunsten von Facebook entschieden. „Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses stehe dem Anspruch der Erben entgegen, Einsicht in die Kommunikation der Tochter mit Dritten zu erhalten“, begründen die Richter ihr Urteil. Eine Revision ist noch möglich.
Ich hoffe, dass die Eltern die Revision einlegen und das Ganze vor den Bundesgerichtshof geht. Auch wenn es mir persönlich leid tut und dieser Fall sehr tragisch ist. – Stephanie Herzog
Die Entscheidung kann im digitalen Bereich weitreichende Folgen in Sachen Erbe haben. Welche das sein könnten, erklärt Rechtsanwältin Stephanie Herzog im Gespräch mit detektor.fm-Moderator Christian Bollert.
Redaktion: Robin Hatting