Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. So geht es, seit Apple auch ein Massenthema wurde, den Anhängern von Linux.
Linux ist ein Betriebssystem, so wie Windows oder eben OS X auf Apples Rechnern. Aber es ist eine sogenannte offene Software, Open Source. Heißt: Jeder kann an die Programmiersprache des Systems ran und mit programmieren. So arbeitet dann ein Schwarm von freien Programmierern auf der ganzen Welt daran, Fehler auszumerzen und Verbesserungen hinzubekommen – oder einfach eigene Ideen einzubauen.Und spätestens jetzt klingt es für die allermeisten Computernutzer schon total verwirrend und abstoßend.
Linux sei irgendwie wirklich nur etwas für Experten, so die gängige Meinung. Ist das so? Oder ist Linux vielleicht doch ganz gut für Jedermann geeignet, und wir haben nur zu viel Angst davor? Fragen, die wir Frank Patalong stellen wollen. Vormals Ressortleiter für Netz-Themen bei Spiegel Online und heute dort Autor hat er den Wechsel zu Linux vollzogen – und bereut es nicht.
„Das ist nahezu Rentner-kompatibel“ – Das Interview zum mitlesen
Herr Patalong, Sie sind, so haben Sie geschrieben, in Ihrem Freundeskreis immer eine Art private PC-Hotline gewesen. Und jetzt sind Sie komplett ungeschwenkt auf Linux. Warum haben Sie das gemacht?
Um nicht mehr PC-Hotline zu sein. Das ist natürlich ein Phänomen, das viele Leute kennen, die ein bisschen Ahnung von PCs haben. In den letzten Jahren habe ich allerdings festgestellt, dass das zunehmend schwieriger wird. Das ist ähnlich wie bei Autos: unter die Haube kann man beim Betriebssystem, gerade bei Windows, immer schwieriger sehen. Das Betriebssystem ist zwar zuverlässiger, und besser, und schneller geworden, hat aber nach wie vor das permanente Problem, Hauptzielscheibe für alle möglichen Schadsoftware-Programmierer zu sein, unter ständiger Viren-Attacke zu stehen und und und… Um da Klartext zu reden: ich hab mir inzwischen einige Male an der Säuberung von befallenen PCs Zähne ausgebissen und hatte schlichtweg keine Lust mehr darauf.
Abgesehen von der Sicherheit gegen Viren: welche Vorteile haben Sie noch erfahren?
Ihre Anmoderation verweist ja wieder sehr stark auf dieses Open-Source-Element und dass jeder mitmachen darf – nur das muss den User ja überhaupt nicht interessieren! Was einen Anwender interessieren muss, ist: ist dieses Ding für mich zu gebrauchen? Ist es mehr oder weniger selbsterklärend? Muss ich viel lernen oder muss ich nicht viel lernen? Ich kenne jetzt Linux-Systeme seit auch schon 10, 12 Jahren. Ich hab die regelmäßig eingesetzt um zum Beispiel Viren von Windows-PCs zu holen. Aber man hat es immer nur so Not-System im Endeffekt genutzt, ich zumindest. Während mit dir Handhabung von Linux lange Zeit tatsächlich zu kompliziert war.
Und das hat sich jetzt gebessert?
Das hat sich gebessert. Es gibt populäre Linux-Systeme. Ich persönlich habe jetzt meine Erfahrungen vor allen Dingen mit Ubuntu gemacht – eine Linux-Distribution, wie man sagt, also eine von vielen Versionen, die Endeffekt auf dem gleichen Software-Kern aufsetzen, aber eine unterschiedliche Gestalt haben. Und diese Ubuntu-Gestalt, mit der ich jetzt rumprobiert habe, ist eine sehr sehr sehr reduzierte. Ich habs direkt eigentlich so wahrgenommen, dass dieses Ding nahezu Rentner-kompatibel ist. Es klingt ein bisschen despiktierlich, ist aber wirklich so: man installiert das, es ist ein total unproblematischer Vorgang, und wird danach erstmal damit verwöhnt, dass man ganz reduziert einen Bildschirm vor sich hat, auf dem alle Hauptprogramme, die man gerade so braucht, als Icons ähnlich wie in so einem Appstore vorgehalten werden. Man klickt drauf, und dann bekommt man das.
Die Programme, die man da bekommt, ähneln denen, die man aus der Windows-Welt kennt, sehr sehr stark, wenn sie nicht sogar identisch sind, Firefox zum Beispiel, oder Open Office. Dazu kommt so eine innere Logik dieses Systems, die ebenfalls so eine App-Store-Logik ist. Also ganz ähnlich wie bei Apple. Man hat ein Software-Center, in dem Programme vorgehalten werden, die zum Teil recht umfänglich sind, und zum Teil ganz ganz kleine Dinge. Aus allen möglichen Bereichen, auch wenn die meisten dieser Programme natürlich jetzt nicht die großen Software-Suiten sind, die ganz fürchterlich viele Dinge können. Sondern ganz kleine, spezialisierte Dinge. Beispiel: das Planetarium für den PC. Ein Programm, das mir nur mitteilt, wenn ich ihm sage „Heute ist der 1. April oder der 3. April, 20:45 Uhr, wo finde ich Venus?“ – und dann sagt der mir das. Der zeigt mir das dann auch. Sehr spezialisierte kleine Anwendungen, im Endeffekt ähnlich wie auf nem iPhone. Das hat was.
Das klingt ja, so wie Sie es jetzt beschreiben, alles sehr positiv. Gab es denn schon einen Punkt, wo Sie gesagt haben: da fehlt doch noch was!
Sie wissen, dass in der Computerwelt natürlich unglaublich viele Fans rumlaufen. Ich war nie ein Fan. Ich hab mich immer beruflich mit diesen Dingen auseinandergesetzt und das verdirbt einem so ein bisschen das Fan-Tum, weil: jedes System hat auch seine Schwächen. Das ist einfach so. Linux-Fans sagen immer: „Es gibt ein Programm für alles!“ Das kann ich nicht bestätigen. Ich bin im Augenblick zum Beispiel auf der Suche nach einem schönen, wirklich fitten, Web-Editor, um Webseiten zu programmieren. Da sind alle Lösungen, die ich bisher unter Linux gesehen habe, wirklich fünf Jahre hinter der Zeit.
Es gibt bestimmte Dinge, in denen Schwächen festzustellen sind. Spiele – es gibt ganz grässlich viele Spiele für Linux, mit Sicherheit auch schöne und intelligente Spiele, aber die meisten davon sind klein, sind eher so Casuals, also für zwischendurch. Und gerade die großen, wirklich populären Spiele, die auch ganze Märkte bewegen und leider Gottes dann auch zehntausende von Jugendlichen süchtig machen – das ist vielleicht eine ganz gute Nebenwirkung – die gibts für Linux nicht. Also ich würde zum Beispiel, wenn ich jemanden beraten würde, als eine der ersten Fragen stellen: „Bist du ein Zocker?“ Jemand, der ein Zocker ist, der kann mit diesem System wenig anfangen.
Es war ja bisher tatsächlich auch eher eins für Fans und jene, die sich ein bisschen besser auskennen. Sie haben aber offenbar es trotzdem geschafft, Ihren halben Freundeskreis mit dem Wechsel-Gedanken anzustecken – inklusive Berufsgruppen, wo man das nicht so erwartet: Ihr Schornsteinfeger…
Also mein Schornsteinfeger ist nach wie vor sehr sehr glücklich damit. Der ist ein echter PC-Neuling – Thomas, verzeih mir, wenn ich das jetzt alles so öffentlich mache. Dem hab ich den ersten PC, den er überhaupt sich gekauft hat, vor anderthalb Jahren aufgesetzt, mit einem Windows 7 System, direkt nachdem das rauskam. Und er hat´s dann tatsächlich geschafft, obwohl ich ihn da einigermaßen gut gebrieft hatte, sich innerhalb von einem Jahr irgendwie drei, vier Mal den Rechner zu verseuchen. Ich bin dann hingegangen und hab gesagt: Hör mal, jetzt machen wir hier einfach Schluss. Wir löschen das alles, und hauen dir n Linux da drauf. Das war relativ gewagt. Er wollte das aber auch. Und fährt seitdem völlig glücklich damit, absolut glücklich. Er ist jemand, der pragmatisch nutzt. Er braucht nicht viel mehr als einen Webbrowser, um sich im Internet zu bewegen, und ne Textverarbeitungs-Software und ne Grafik-Software, um seine digitalen Photos zu bearbeiten, und vielleicht auch noch nen Medienplayer, um vielleicht mal nen Film zu sehen. Und das wars! Für jemanden, der so ein Nutzungsprofil hat, ist das absolut ideal.
Wenn Linux offenkundig, wie Sie beschreiben, schneller ist, einfach zu bedienen, sicher vor Viren, und dann auch noch auf Arbeitsaufgaben so gut fokussiert: warum hat es sich nicht schon längst viel breiter durchgesetzt?
Zum einen ist es so, dass das lange Zeit wirklich ein Expertensystem war. Zum anderen ist es so, dass die Linux-Gemeinde recht breit aufgestellt ist. Da gibts auch Glaubenskriege innerhalb der Gemeinde und und und. Ich hab viele Mails bekommen die sagen „Patalong, bist du beknackt, dass du Ubuntu lobst? Das ist doch wirklich das Schlimmste aller Systeme!“ Innerhalb dieses Lagers gibts dann auch leichte In-Kompatibilitäten. Bestimmte Dinge laufen auf dieser Distribution gut, auf der anderen nicht so gut. Man kann also auch nicht sagen, dass da alles Eitel Sonnenschein wäre, das wäre gelogen.
Die andere Sache ist, dass gerade im Bereich der Laptops, die sich im Lauf der letzten zehn Jahre ja wirklich als die prädominanten Rechnern so durchgesetzt haben, Linux erstmal ausprobiert werden muss. Man darf nicht hingehen und sagen: „Das hört sich alles Klasse an, was Patalong da erzählt. Ich hau jetzt mein Windows vom Rechner und hau mir ein Ubuntu drauf. Und dann läuft alles ganz fantastisch.“ Man muss entweder mit einem Live-System erstmal ausprobieren, ob der Rechner dafür fit ist oder nicht. Weil nicht jede Laptop-Hardware harmoniert wirklich gut mit Linux. Ich habs jetzt auf drei Laptops gemacht – und auf zweien dieser Laptops Minimalprobleme bekommen, die allerdings lösbar waren. Nur lösbar heißt natürlich auch, dass man sich da irgendwie reinfuchst. Wenn ich jetzt völlig unbeleckt bin in dieser Hinsicht, dann brauch ich vielleicht doch wieder die Hilfe von jemandem.
Es ist also vor allen Dingen eine Hardware-Frage: harmoniert es oder harmoniert es nicht? Die Linux-Distributionen bieten auf ihren Webseiten oftmals Verzeichnisse an mit Hardware, die kompatibel ist. Ubuntu macht das zum Beispiel – also da kann ich vorher nachgucken: passt mein Laptop überhaupt zu diesem System? Und ansonsten gibts die Möglichkeiten, mit einer Live-CD vorher auszuprobieren. Oder aber auch ne Teil-Partition zu machen. Die Festplatte also in zwei Teile zu teilen, und dann bei jedem hochbooten die Frage zu bekommen: willst du heute Windows oder Ubuntu?
{ad_conrad}