Kubaner leben analog. Denn während in unseren Breitengraden ein Leben mit Internet nicht mehr wegzudenken ist, ist der Zugang auf dem Inselstaat noch immer stark eingeschränkt. Das Zentralkomitee um Regierungschef Raúl Castro zensiert viele Seiten und spioniert die Nutzungsgewohnheiten seine Bürger aus. Dabei ist es den meisten Kubanern überhaupt nicht möglich, das Internet zu nutzen. Nur wenige öffentliche Einrichtungen haben einen Breitbandanschluss, in der Hauptstadt Havanna gibt es nur ein öffentliches Internetcafé, Kostenpunkt: 4,50 Dollar die Stunde. Für die meisten Kubaner, die durchschnittlich im Monat 20 Dollar verdienen, ist das unbezahlbar. Ein privater Internetzugang ist nur der Elite vorbehalten, wenige ausgewählte Staatsbedienstete und regierungstreue Journalisten bekommen einen Anschluss.
Elf Millionen Menschen leben in Kuba, doch nur fünf Prozent der Einwohner können sich im World Wide Web bewegen, nur 0,04 % haben eine eigene Breitbandverbindung. Doch selbst ein Zugang garantiert keine ständige Verfügbarkeit, immer wieder fällt das Internet aus und ist viel zu langsam. Nach Angaben eines kubanischen Journalisten funktioniert beispielsweise der Internettelefondienst Skype auf der Insel nur in einem einzigen Hotel. Eine W-Lan-Nutzung ist illegal. Zusammen mit Myanmar gehört Kuba zu den am schlechtesten vernetzten Ländern auf der Welt.
Selbstbaukasten Internet
Den Kubanern ist bewusst, dass sie dem Rest der Welt weit hinterherhinken. Deshalb arbeiten einige engagierte Einwohner schon seit Jahren an einem eigenen Netzwerk namens „Streetnet“, kurz „Snet“. 2001 haben ein paar junge Menschen mit Kenntnissen in Systemadministration und Computertechnik das Projekt ins Leben gerufen – inzwischen gehören „Snet“ 9.000 Kubaner an.
Das Intranet ist bisher nur in der Hauptstadt Havanna nutzbar. Über eine sogenannte Meshing-Technik tauschen einzelne Mitglieder direkt ihre Daten miteinander aus (Peer-to-Peer). Das Wort Meshing (übersetzt „Maschen“), drückt dabei bildlich aus, wie das System funktioniert: Wie bei einem Maschennetz kann man sich alle Teilnehmer als Knoten vorstellen, die weitläufige Verbindungen ermöglichen. Anders als bei einem zentralen W-Lan-Punkt, von dem alle Kontakte sternförmig ablaufen, ist beim Prinzip des Meshings jedes Mitglied im Netzwerk verantwortlich für das reibungslose Funktionieren. Auch in Deutschland werden solche Intranets genutzt, das bekannteste Projekt hierzulande nennt sich „Freifunk“:
Unpolitisches „Streetnet“ zum Spielen
Die Pioniere des geheimen Intranets haben die gesamte Technik selbst aufgebaut. Über den Dächern Havannas haben sie selbstgebaute WLAN-Antennen aufgestellt, mit Ethernetkabel die Straßenschluchten überwunden. Obwohl der WLAN-Zugang verboten ist, akzeptiert die kubanische Regierung das illegale Netz. Zumindest, solange die Community keine Regeln bricht.
Dementsprechend streng achtet jeder einzelne der 9.000 Mitglieder von „Streetnet“ darauf, dass es keinen Grund für das Zentralkomitee gibt, das Intranet zu verbieten. Die beiden größten Tabus für „Streetnet“ heißen Pornographie und Politik. Die junge Netzgemeinde will im wahrsten Sinne des Wortes nur Spielen. „Streetnet“ ist für die Habaneros ein lokales Facebook. Veranstaltungen und Kontaktinfos werden ausgetauscht, Fotos und E-Mails verschickt und Computerspiele miteinander gespielt. Mitglieder, die zwischendurch mal Zugang zum richtigen World Wide Web bekommen, speisen aktuelle Informationen in das Intranet ein. Es werden aber vor allem regierungstreue Inhalte bevorzugt, wie zum Beispiel die Übertragung der kubanischen Online-Enzyklopädie „EcuRed„.
Die harmonische Parallelwelt
Wer die Regeln verletzt, der wird verbannt. Jedes Mitglied fühlt sich dazu angehalten, jene Nutzer zu maßregeln, die sich politisch kritisch äußern oder pornografische Inhalte hochladen oder verschicken. Denn niemand möchte die praktische Option verlieren, von Computer zu Computer schnell in Kontakt zu stehen. Ein geradezu futuristischer Luxus in einem Land, in dem die Einwohner den strikten Kommunikationsgesetzen der Regierung unterworfen sind.
Dass mit dem internen und geheimen „Streetnet“ noch längst keine Meinungsfreiheit erreicht ist, zeigen die Restriktionen und die Angst der Mitglieder vor einem Verbot. Und auch die Dissidenten, die aus Kuba im World Wide Web vom Alltagsleben in dem abgeschotteten Land nerichten, haben es schwer. Eine der bekanntesten Kritikerinnen des Regimes ist Yoani Sánchez, die seit Jahren offen über die Missstände im Land bloggt und twittert:
The NGO @FreedomHouseDC points out the progress in the growing of independent media communications in #Cuba stressing the role of @14ymedio
— Yoani Sanchez (@yoanifromcuba) 28. Januar 2015
Über das „Streetnet“ und die zarte Digitalisierung Kubas hat Moderatorin Doris Helpholdt mit Jakob Steinschaden gesprochen. Der Technikjournalist beobachte die Kubas Entwicklung schon länger.
Redaktion: Jenny Barke