Der erste rechtsvergleichende Weltkongress hat 1900 in Paris stattgefunden. Inoffiziell war das die Geburtsstunde der modernen Rechtsvergleichung eingeleitet. Traditionell befasst sich die Rechtsvergleichung einerseits mit der Herkunft von Recht, andererseits werden beispielsweise Wortlaute von Gesetzen unterschiedlicher Länder miteinander verglichen.
Was bedeutet Dekolonialität?
Durch die Kolonialisierung der Welt wurden europäische Wertesysteme und Denkweisen auf der gesamten Welt verbreitet, teils mit gewaltsamen Mitteln. Vorherige, präkoloniale Lebensweisen wurden dabei vernichtet und verboten, das gilt auch für das Rechtsverständnis. Somit sind heute viele Staaten, wie etwa die Länder des Commonwealth, in ihrer Rechtsauffassung europäisch geprägt. Der Begriff der Kolonialität zieht sich also über den Kolonialismus hinaus bis in die Moderne und ihre universalisierende Denkweise. Die dekoloniale Perspektive will diese Strukturen aufdecken und verändern, um letztlich Pluriversalität herzustellen. Dazu müssen koloniale Strukturen national und international erkannt werden, erklärt Ralf Michaels, Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg.
Pluriversales Rechtsverständnis
Pluriversalität bedeutet: anstelle eines europäisch geprägten (Welt-)Rechtssystems tritt eine Realität, in der viele Systeme bestehen. Durch die dekoloniale Perspektive könnten auch Rechtssysteme indigener Völker wiederbelebt werden, in denen vermehrt auch die Natur ihren Platz hat. Seit 2014 wird beispielsweise der Nationalpark Te Urewera in Neuseeland als eine juristische Person gesehen, die somit vor Gericht klagen kann. Das haben die einheimischen Maori durchgesetzt.
detektor.fm-Moderatorin Aileen Wrozyna spricht im Podcast mit Ralf Michaels über dekoloniale Rechtsvergleichung und was ihn dazu bewegt, sich damit zu beschäftigen.