Freispruch nach Verjährung
Es sind Zahlen, die kaum möglich scheinen. Schätzungsweise 300 000 Babys wurden während und nach der Franco-Diktatur (1939–75) in Spanien gestohlen und weiterverkauft. Einen der Mitverantwortlichen, Dr. Eduardo Vela, hat das Gericht nun aufgrund von illegaler Adoption und Urkundenfälschung für schuldig befunden. Eine Verurteilung gibt es allerdings nicht. Denn wegen Verjährung droht Vela heute keine Haftstrafe mehr.
Viele Betroffene, die heute vor dem Gericht standen, waren nicht enttäuscht. […] Sie sehen das Urteil trotzdem als Sieg für sich. Denn das Gericht sagt, Dr. Vela hat die Taten tatsächlich begangen und ist sozusagen schuldig. Dass er aufgrund der Verjährung nicht ins Gefängnis muss, ärgert natürlich dennoch einige. – Oliver Neuroth, hr-Korrespondent in Madrid
Der Babyraub hatte Strategie. Den Eltern wurde erzählt, ihr Kind sei nach der Geburt gestorben, oftmals hatten Ärzte ihnen dabei sogar ein totes Baby gezeigt. Gerade regimekritischen, politisch-linken Müttern wurden die Kinder häufig gestohlen. Doch selbst nach dem Fall des Franco-Regimes hatte der Raub kein Ende genommen. In das offenbar lukrative Geschäft müssen neben Vela noch zahlreiche Ärzte, Notare und Geistliche involviert gewesen sein.
Gerechtigkeit für die „bébés robados“
Bis heute ist die genaue Anzahl der gestohlenen Babys nicht bekannt. Noch immer sind zahlreiche Väter und Mütter, aber auch adoptierte Kinder auf der Suche nach ihren leiblichen Familien. Gerade die Geschädigten trifft dieses Urteil daher besonders hart. Unter ihnen Inés Madrigal, gewissermaßen das Gesicht der Demonstranten und selbst ein „bébé robado“, ein geraubtes Baby. Sie hatte als Nebenklägerin erst das Verfahren gegen Dr. Vela ermöglicht. Mit ihrem Anliegen möchte sie nun vor das oberste Gericht Spaniens ziehen. Ob nach dem heutigen Urteil nun weitere Verfahren angestoßen werden, bleibt offen.
Über das erste Urteil im Prozess um den systematischen Babyraub in Spanien hat detektor.fm-Moderatorin Anja Bolle mit hr-Korrespondent Oliver Neuroth in Madrid gesprochen.
Bei dem Interview handelt es sich um ein internationales Telefonat. Wir entschuldigen uns für die mindere Tonqualität.
Redaktion: Valérie Eiseler