Eine Frage der Tradition
Haben sich politische Einstellungen, die Menschen schon in den Dreißigerjahren hatten, bis heute gehalten? Diese Frage hat den Wirtschaftshistoriker Davide Cantoni beschäftigt, als er seine neue Studie gestartet hat. Etwa 11.000 Gemeinden hat Cantoni auf ihr Wahlverhalten während der Bundestagswahl 2017 hin untersucht. Dabei hat er die Wahlergebnisse der AfD mit denen der NSDAP von 1933 verglichen. Sein Ergebnis: In Ortschaften, in welchen die NSDP unter den Wählerstimmen besonders stark vertreten war, wird heute auch vermehrt AfD gewählt. Ein Fall historischer Kontinuität.
Neuer Wahlfaktor für AfD?
Sozialwissenschaftler fragen sich schon länger, wie die Partei ihre guten Wahlergebnisse erreicht. In den Medien geht es hierbei vor allem um Schlagwörter wie Arbeitslosigkeit, Globalisierung und Fremdenfeindlichkeit. Das ist aber nur die eine Seite. Das Phänomen der Kontinuität ist ebenso ein Faktor für das Erstarken der AfD. Besonders beobachtbar ist es auf dem Land und in kleineren Ortschaften. Der geringe Zu- und Wegzug von Einwohnern hat dazu geführt, dass sich politische Denkweisen und Wahltraditionen besser etablieren.
Wenn wir jetzt sagen würden, der Erfolg der rechtspopulistischen Parteien kommt von der Arbeitslosigkeit, dann hätten wir ein einfaches Rezept. Wir wüssten, dass wenn die Arbeitslosigkeit runtergeht, dann werden auch die Ergebnisse der rechtspopulistischen Parteien sinken. Wenn aber unsere Erkenntnis ist, dass auch ein kultureller Faktor mit einspielt, dann ist die Lösung etwas schwieriger. – Davide Cantoni
Über die Studie und die Kontinuität der Wahl rechtsextremer Parteien hat detektor.fm-Moderator Lars Feyen mit Davide Cantoni gesprochen. Er ist Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Redaktion: Alexandra Boger