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Zuerst die Crosser, dann die Renner: Die Verbreitung der Scheibenbremse am Rennrad und seinen Unterarten schien eigentlich nur eine Frage der Zeit. Denn während kaum ein Mountainbiker sich heute die Zeit der Felgenbremsen zurückwünscht und auch Trekking- und Reiseräder immer häufiger mit Scheibenbremsen ausgerüstet werden, waren die „Discs“ am Rennrad für Profis lange Zeit verboten. Sie waren bis zum Herbst letzten Jahres ausschließlich mit Felgenbremsen unterwegs, die mit speziellen Belägen die Felge in die sprichwörtliche Zange nehmen.
Der kurze Frühling der Scheibenbremsen
Seit Herbst 2010 sind Scheibenbremsen allerdings in Cyclocross-Wettbewerben erlaubt, daher gelten die Geländerennräder auch als Einfallstor für die neue Bremstechnologie, über die Rennradfahrer heiß und stundenlang diskutieren können. Bessere Dosierbarkeit, keine durchgebremsten Laufräder, kein Schlauch- oder Felgenversagen durch Bremshitze und weitgehende Witterungsunabhängigkeit: Diese Argumente führen die Befürworter der Scheiben an. Gegner sehen vor allem Umsatzgelüste der Industrie als Ursache für die Einführung der Scheiben an und bemerken, dass die Felgenbremse selbst schon eine Scheibenbremse mit maximal möglichem Durchmesser sei. Sie fürchten um die filigrane Ästhetik des Rennrads und um unzählige Laufradsätze für Felgenbremsen, die bei großflächiger Umrüstung entwertet würden. Doch dann hat der Weltradsportverband, UCI, das Jahr 2016 zum Probejahr für Scheibenbremsen im Profi-Peloton ausgerufen. Zwei Teams sind bei Paris-Roubaix mit der neuen Technologie an den Start gegangen. Dann stürzte Francisco José „Fran“ Ventoso.
Die teuerste Wunde der Radsportgeschichte?
Der spanische Profi im Movistar-Team kam beim Kopfsteinpflasterklassiker in Frankreichs Norden zu Fall, verletzte sich am Knie und veröffentlichte kurz darauf einen flammenden Appell wider die Scheibenbremse. Er sieht die Scheibenbremse als Schuldige für seine Verletzung an. In Bremsfragen traditionell gesinnte Profis und Hobbyfahrer haben immer auch auf die Verletzungsgefahr durch scharfkantige oder heißgebremste Bremsscheiben hingewiesen. Allerdings hatte Ventoso die klaffende Wunde an seinem linken Bein erst einige Zeit nach seinem Unfall bemerkt. Trotz des unklaren Unfallhergangs war der Vorfall der UCI allerdings Anlass genug, die Erprobungsphase der Scheibenbremse im Profi-Peloton erst einmal auszusetzen. Ziemlich sicher kann man aber sagen, dass Ventosos Wunde eine der teuersten der Radsportgeschichte werden könnte. Denn bisher war nicht unwahrscheinlich, dass der Probebetrieb tatsächlich erfolgreich enden würde. Der Großteil der im Profisport vertretenen Rahmenhersteller dürfte an entsprechend dafür vorbereiteten Rahmen entwickeln.
Have what the Pros can’t have.
Nun sind also zumindest erst einmal wieder jene Verhältnisse hergestellt, die Komponentenriese (und Hersteller beider Bremssysteme) Shimano schon 2013 zu dieser Anzeige veranlassten:
Offensichtlich sind nicht alle Profis darauf aus, künftig mit Scheibenbremsen unterwegs zu sein. Mit unserem Experten Jens Klötzer vom TOUR-Magazin haben wir darüber gesprochen, was die jüngsten Entwicklungen für den Profisport, die Komponentenhersteller und die Rennradtechnik bedeuten.